Burnout trotz Teilzeit?

Flexible Arbeitszeitmodelle und vielfältige Beratungsunterstützung sind bei SAP schon lange an der Tagesordnung und gelebte Praxis. Ebenso werden hier seit einigen Jahren mit dem Betrieblichen Gesundheitskulturindex (BHCI) die Rahmenbedingungen gemessen, die es dem Einzelnen ermöglichen, seine Lebensbalance zu erhalten. Durch diese lange Erfahrung lässt sich
beobachten, dass Teilzeitarbeitsmodelle allein nicht vor Burnout schützen. Interview mit Karin Busch und Hartmut Braune von der „Leuchtturm“-Initiative der SAP.

Frau Busch, eigentlich sollte Teilzeitarbeit den beruflichen und privaten Stress der Mitarbeiter entschärfen. Doch das Burnout-Risiko scheint bei Menschen in Teilzeit nicht unbedingt abzunehmen.

Karin Busch: Burnout gilt auch als sogenannte Gratifikationskrise, d.h. einem hohen Einsatz steht kein entsprechendes Maß an Zufriedenheit gegenüber. Es sind berufliche und persönliche Voraussetzungen, die hier zusammenspielen. Betrachten Sie als Beispiel Mütter, die in Teilzeit arbeiten und dadurch höherer Belastung ausgesetzt sind. Mütter müssen oft komplett „durchgetaktet“ die Anforderungen aus Beruf, Familie und eigenen Bedürfnissen balancieren.

Also ein klassisches Rollen-Thema?

Karin Busch: Wir beobachten gerade bei Müttern in unserem Unternehmen ein besonderes Spannungsfeld. Auf der einen Seite der Wunsch, für Familie, für die Kinder da zu sein. Andererseits haben wir es hier häufig mit gut ausgebildeten Frauen zu tun, die auch als Mutter in Teilzeit nach wie vor großes Interesse an anspruchsvollen, innovativen Aufgaben haben, bei denen sie ihre Kompetenzen einbringen, lernen und sich weiterentwickeln können. Leider gehen diese Aufgaben oft an KollegInnen in Vollzeit, die Teilzeitkräfte dagegen finden sich bei den Routinearbeiten wieder, was potenziell zu fehlender Anerkennung führen kann.

Wie kann man hier entgegenwirken?

Hartmut Braune: Das hat viel mit Unternehmenskultur zu tun. Der betriebliche Gesundheitskulturindex misst die Gesundheit der Unternehmenskultur und der Mitarbeiter. Unsere Kette beginnt mit gesundheitsfördernden Maßnahmen bei der SAP. Sie reichen von flexiblen Arbeitsmodellen über Programme zur Weiterentwicklung
von Führungskräften bis hin zu unseren weltweit stattfindenden „Health and Innovation Weeks“.

Karin Busch: Ja, Unternehmenskultur greift noch weiter, unabhängig vom gewählten Arbeitszeitmodell. Wie viel Verständnis wird von Vorgesetzten und Kollegen beispielsweise denjenigen jungen Eltern entgegengebracht, welche die dritte Nacht in Folge bei ihrem kranken Kind sein mussten und dementsprechend ausgelaugt am Arbeitsplatz erscheinen? Ein anderes Beispiel ist die Betreuung der eigenen, womöglich pflegebedürftigen Eltern. Wir merken, dass hier mehr lebensphasenbezogen gedacht werden muss.

Welche formalen Beispiele gibt es, damit die Situation für alle Beteiligten entspannter wird?

Hartmut Braune: Ein Beispiel ist die ausreichende Information der anderen Kollegen – auch in Nachbarabteilungen – darüber, dass ein Mitarbeiter in Teilzeit arbeitet. So werden Besprechungen nicht mehr auf Tageszeiten oder Wochentage gelegt, an denen der betreffende Mitarbeiter ganz regulär nicht im Büro ist. Es kann auch sinnvoll sein, Aufgaben zu suchen, die nicht permanent Termindruck verursachen. So können wechselnde private Belastungen eher mit beruflichen Anforderungen in Einklang gebracht werden.

Viele Teilzeitmitarbeiter beklagen, dass sie das Pensum einer vollen Stelle bewältigen – für die Hälfte des Lohns.

Karin Busch: Hier kommt ganz klar der Vorgesetzte ins Spiel. Je mehr die Termine zur Fertigstellung von Aufgaben so gewählt werden, dass die Arbeit in den täglichen vier oder fünf Arbeitsstunden zu bewältigen ist, umso besser für beide Seiten. Aber die Mitarbeiter selbst sind auch gefragt, tätig zu werden, und zwar in der Stärkung der eigenen Fähigkeit zur Abgrenzung. Ein Thema, das bei uns im Haus oft erfolgreich in der Zusammenarbeit mit einem unserer internen Coaches angegangen wird.

Seit 2012 bieten SAP-Mitarbeiter, die eine Zusatzqualifikation als systemischer Coach besitzen, in dieser Initiative im Sinne einer kollegialen Hilfe bundesweit – zusätzlich zu den bestehenden Beratungsangeboten – Unterstützung für burnoutgefährdete bzw. -betroffene Kolleginnen und Kollegen an.

bw // Foto: fotolia

14. März 2017
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