Ich bin ja kein Dinkelnazi, aber…

Dinkelnazi

Ach, es geht doch nichts über ein gesundes, ausgewogenes Frühstück in der Schule.

Liebe B.,

ich hatte heute Morgen mal wieder meine ganz persönliche Dschungelprüfung.  Wobei der blinde Griff in den Schulranzen meiner Tochter vermutlich weitaus gefährlicher ist, als Rangeln mit Schlangen und umfassend ekelhafter,  als das Schwimmen in Maden. Natürlich versuche ich den engen Kontakt zum Schulranzeninhalt meiner Kinder zu vermeinden. Aber wenn es komisch riecht, muss ich da ran. Ich bin klüger geworden. Früher habe ich  blindlings in den Ranzen meiner Kinder herumgetastet.

Das endete dann so:
Ich (blutspritzend): WAS MACHT DIE SCHERBE IN DEINEM RANZEN?!
Kind (geknickt): Die lag auf dem Schulhof und ich wollte nicht, dass sich jemand wehtut.

Oder:
Ich (blutend, panisch erst nach Impfpass in der Schublade wühlend und dann nach Eintrag von  letzter Tetanusspritze suchend): WARUM IST DA SO EIN ROSTIGES MESSER IN DEINER BROTDOSE?
Kind (zerknirscht): Das ist der Rest von unserem Cutter aus Kunst. Der lag im Müll aber ich dachte, man kann den noch gebrauchen.

Naja, bis jetzt ist immer alles verheilt. Ich gehe dennoch kein Risiko mehr ein und schütte Schulranzen grundsätzlich aus (gesaugt, gewischt, desinfiziert und neues Parkett verlegt, ist schließlich schnell erledigt).

Heute Morgen rollt mir also etwas ekelhaft weiches, rotes, fettiges vor die Füße.  Die angewiderte Betrachtung ergab: Es war eine zusammengemaschte, streng riechende, kinderfausgroße, rote Kugel  und diese Kugen bestand ausschließlich aus Babybel-Wachshüllen.
Etwa zehn. Was besonders bemerkenswert ist, weil ich niemals Babybel kaufe.  Gleichwohl gehe ich durchaus auf die Frühstücksdosen-Wünsche meiner Kinder ein.

Ich habe nämlich selbst ein Frühstückstrauma aus meiner persönlichen Barbara-Rütting-geschädigten Kindheit. Der weibliche Guru der Vollwertkost, hat mir mindestens zwei Jahre unbeschwerte Kindheit geraubt, in denen meine Mutter meinte, sie müsse mich in der Schule mit Paprikaschnitzchen und Reformhaus-Aufstrich auf selbgebackenem, Brot mit selbstgeschrotetem Korn ernähren.  Mir wird heute noch übel, wenn ich rohe Paprika in Tupper-Dose rieche.

Genau das möchte ich meinen Kinder ersparen und sorge deshalb für ein umfassend abwechslungsreiches Frühstück in der genderneutralen und weichmacherfreien Brotdose. Immer ein leckeres Brot (je nach Kinderwunsch). Immer ein Stück Obst oder Gemüse, natürlich nicht direkt ans Brot geklatscht, sondern separat verpackt und liebevoll geschnitten und NIEMALS Paprika.  Immer eine  Kleinigkeit dazu (Studentenfutter, Obst- oder Müsliriegel, Reiswaffel, Bio-Joghurt). Kurz  – und ganz und gar uneitel  – zusammengefasst: Ich bin die beste Frühstückspausenzubereiterin der Welt.

Das sieht meine Tochter offenbar anders.

Die umfassende Schulranzenrecherche an diesem Babybel-Matschkugel-Morgen ergab neben der Kugel: Drei leere Packungen Actimel Erdbeer, fünf zerknüllte Muffin-Papiere, zwei Bifi-Papiere, zwei leere Mini-Päckchen Gummibärchen, eine Packung Milchschnitte, ein Paket Prinzenrolle und ein Kinderriegelpapier.

Ich bin kein Dinkelnazi. Aber ich muss kein Ernährungsberater sein, um zu wissen, dass die Kombination dieser Lebensmittel nicht die optimale Nährstoffversorgung für Grundschüler ist.

Warum die Kinder diese Sachen, nicht selber essen, frage ich fassungslos meine Tochter. Die mögen das nicht so. Erklärt sie mir.

Ich: Und was essen die dann?
Tochter: Naja, manchmal gebe ich denen mein Brot und meinen Apfel.
Ich: ICH WILL ABER NICHT, DASS DU JEDEN TAG DIESEN SCHROTT ISST!
Tochter: Ja, dann gibt mir halt was Leckeres mit!!!
Ich: JA! UND! WAS?!
Tochter: Jetzt brüllst Du schon wieder. Aber also, der T. hat immer so Paprikaschnitze zu der Bifi. Sowas hätte ich auch gerne mal.
Sohn: Au ja.

Liebe Miteltern, möglicherweise seid ihr ebenso vollwertkostgeschädigt, wie ich. Anders kann ich es mir nicht erklären, warum ihr euren Kindern bergeweise qualitiativ minderwertige und ökologisch mehr als bedenkliche Lebensmittel mit in die Schule gebt.  Vielleicht ist es interessant für euch zu wissen, dass eure Kinder Babybel hassen, ihr Actimel regelmäßig verschenken und ihre Milchschnitte und die Schokoladenkekse schon mal gegen eine Vollkornbrötchenhälfte oder eine Fußballsammelkarte tauschen. Vielleicht lasst ihr den ganzen Schrott einfach mal weg und möglicherweise werden eure Kinder trotzdem den Schultag überleben.

Solltet ihr das Zeug allerdings weiterhin in die Brotdosen eurer Kinder packen, sehe ich mich genötigt, härtere Geschütze aufzufahren:
Ich werde mich erst – solange ihr noch ahnungslos seid –  zum  Elternvertreter wählen lassen und dann, wenn ihr alle nicht damit rechnet,  dann werde ich das Thema „Pausenbrot“ ganz am Ende des nächsten langen Elternabends zur Diskussion stellen.  Ich werde einen überzeugten vegangen Ernährungsberater mitbringen und eine Expertin in Sachen Zahngesundheit für Kinder. Und ich werde unglaublich  penetrant und müttermilitant auftreten und so überhaupt nicht lockerlassen, bis ihr alle darum bettelt, endlich Heim zu dürfen, um noch in der selben Nacht Dinkelbrot zu backen und Gemüse zu schnipseln.

Ja, das ist durchaus als Drohung zu verstehen.

#Elternabend #Dinkelnazi

 

25. Februar 2015