Wenn das Küken das Nest verlässt …

Nest

Liebe B. und liebe S.,

wisst ihr noch? Als euer Blog über Kind, Kegel und Co. an den Start ging, hattet ihr mich eingeladen hie und da doch einen Gastbeitrag zum Besten zu geben. Über Erfahrungen und Kuriositäten, die Frau und Kollegin mit einem älteren Kind, dem sogenannten Puber-Tier, zuhause erleben und genießen darf. Kurz, zu solch einer Zusammenarbeit ist es nie gekommen, denn die Teenie-Zeit ging einfach zu schnell vorbei. (Unter uns und ehrlich: das Puber-Tierchen wäre zur Bestie mutiert und hätte mich zerrissen, wäre auch nur eine einzige ihrer jugendlichen Episoden im Netz gelandet.)

Nun, diese Erlebnisse mit einem Teenager – sie kamen und sie gingen. So, wie jetzt das (ich geb’s ungern zu) erwachsene Kind geht! Hilfe! Das Küken verlässt tatsächlich das Nest. Im freien Flug direkt nach Australien. Meine Welt ist DOWN und UNDER zugleich. ICH wurde gar nicht gefragt (oder vielleicht habe ich nicht richtig hingehört, als ich in meinem Eifer immer noch Ästchen und Moos für ein gemütliches Nest in Wolkenkuckucksheim für den Nachwuchs gesammelt habe.) Natüüüürlich gab es immer mal Gespräche und ein Auseinandersetzen – mit dem Kind, dem Partner, mit anderen Eltern – auch dann und wann ein ernstes Zwiegespräch mit mir selbst, in dem stets doppelt untermauert wurde, dass ein gesundes, kräftiges Flügelwachstum des Nachwuchses durchaus gewollt, gefördert und schließlich dann auch akzeptiert wird. Damit der erste Aus-Flug ohne Absturz endet, sollte das Kind gut vorbereitet und mit viel Eigenständigkeit ausgestattet sein.

Schon klar.

Die liebe Theorie.

Die Realität schreit: Aber doch nicht schon so bald und so weit weg, bitteschön?! In ein echt fernes Land; ein Gebiet, in der in jeder noch so kleinen Pfütze mindestens zwei gefräßige Krokodile auf mein Vögelchen lauern. In eine Stadt, die bisher schon drei Mal von einem Zyklon komplett zerstört wurde. Wo also quasi alle fünf Minuten der Notstand ausgerufen wird! Genau da will sie hin.

Ich hatte mir für mich und die finale Nabelschnurdurchtrennung einen Abschied in einem klapprigen, rostigen Vehikel ausgemalt (das Kinds-Auto). Praktischerweise vollgestopft mit Küchenutensilien und sonstigen Altbeständen unseres Kellerarsenals, die dann endlich eine zweite Daseinsberechtigung bekämen. Fahrtzeit und maximale Distanz: fünf Minuten bis ins Nachbarstädtchen. Meine Tochter hat aber ganz andere Pläne, und so werden wir auf einem der größten Flughäfen der Welt Abschied voneinander nehmen. Und werden physisch mehr als 24 Stunden Flugzeit voneinander getrennt sein. Und da man sich das Beste immer bis zum Schluss aufhebt: es wird gottseidank nur für längstens ein Jahr sein.

Altgeschirr darf weiter bei uns im Keller wohnen und meine Tochter wird damit beschäftigt sein, an allem weiter zu wachsen. Meine mütterlichen Machenschaften in Bezug auf sie – wie dieser Gastblog hier – wird sie daher nicht verfolgen, geschweige denn bewerten. Ich darf weiter Moos und Ästchen zusammenklauben, denn ein Jahr geht schnell vorbei und das Nest will vorbereitet sein. Das Küken fliegt ja wieder ein. Und ich werde eure Geschichtchen, liebe S. und liebe B., weiter mit einem wehmütigen Schmunzeln verfolgen, euch beneiden um den Trubel, der euch zuhause die Haare zu Berge stehen oder das Herz aufgehen lässt.

Alles Liebe, eure S.

Foto: Marco Schilling

 

 

 

 

 

1 Kommentar

Sebastian Fischer

Großartig!! 🙂

LG „2wielicht.net“
aka sebbl

Comments are closed.