StadtLandKind. | Ausgabe 1/2022

Immer mehr Kinder brauchen in Schule und Alltag Hilfe und Anleitung bei scheinbar simplen Dingen. Eine Möglichkeit der Unterstützung könnte eine Ergotherapie sein. Warum Prävention die beste Therapie ist, berichtet Ergotherapeutin Elke Kumar aus Hirschberg-Leutershausen. Das Wort Ergotherapie stammt übrigens von dem griechischen Wort „ergon“ (handeln, tun). Ergotherapie bedeutet so viel wie „Gesundung durch Handeln“. Die Corona-Pandemie hat die Schwachstellen im deutschen Bildungssystem nicht nur aufgedeckt, sondern verschärft. War und ist diese Zeit für Kinder ohne Einschränkungen schon belastend genug, so fallen Kinder mit Lernschwierigkeiten, mit Entwicklungsverzögerungen, kranke und behinderte Kinder durch ein Netz, das eigentlich aus Kita, Schule, Hort und aufmerksamen Pädagogen bestand. Eltern, die Unterstützung für ihr Kind suchen, weil es zum Beispiel lange nach der Einschulung noch immer falsch von der Tafel abschreibt oder wild und zappelig ist, müssen sich auf eine lange Wartezeit einrichten. Liebe Frau Kumar, wie viel Zeit müsste ich einplanen, wenn ich mein Kind heute für einen Platz anmelden würde? Für Nachmittagstermine kann es auch mal bis zu 12 Monaten dauern. Unsere Wartelisten sind voll. Aber das war schon vor Corona so. Woran liegt das? Erst einmal daran, dass es immer weniger Menschen gibt, die diesen Beruf ergreifen wollen. Gründe dafür sind die schlechte Bezahlung und die hohen Ausbildungskosten in den privaten Ausbildungseinrichtungen. Außerdem kommen einfach immer mehr Kinder mit Unterstützungsbedarf in die Praxen. Das hängt damit zusammen, dass immer früher, immer genauer bei den Kindern hingeschaut wird – beim Kinderarzt und in Krippe und Kita. Das ist doch eigentlich sehr positiv … Das wäre es, wenn diese Kinder dann auch rasch Unterstützung bekämen. Gibt es weitere strukturelle Probleme? Immer mehr Eltern arbeiten Vollzeit und die Kinder sind ganztags außer Haus betreut. Es werden also immer mehr die Termine am späten Nachmittag oder Abend angefragt. Aber erstens ist ein Kind nach 8 bis 9 Stunden Schule und Hort zu müde für eine weitere „Aufgabe“ und zweitens sind die meisten Ergotherapeutinnen auch Mütter und können natürlich nur dann arbeiten, wenn ihre eigenen Kinder betreut sind. Es ist also eine strukturelle Benachteiligung von Kindern, die sowieso schon durch ihre Schwierigkeiten benachteiligt sind. Wie hat sich die Corona-Pandemie ausgewirkt? Sie hat die Situation drastisch verschärft. In den Kindergärten sind die Entwicklungsgespräche ausgefallen, ebenso die Untersuchungen, ob ein Kind schulfähig ist. Bei diesen zwei Gelegenheiten fällt in der Regel auf, wenn ein Kind beispielsweise keine Schere halten oder nicht auf einem Bein hopsen kann. In den letzten zwei Jahren waren die Eltern also ohne jedes Feedback. Die Kinder wurden natürlich trotzdem eingeschult und sitzen jetzt in der ersten oder zweiten Klasse mit Lese-Rechtschreibschwierigkeiten, Rechenschwierigkeiten und feinmotorischen Problemen. Das hätte man viel früher auffangen müssen. Dann war es wahrscheinlich nicht förderlich, dass Sportvereine und Musikschulen geschlossen hatten … Das hat die Situation natürlich noch verstärkt. Durch den Wegfall vieler schulvorbereitenden Abläufe im Kindergarten wie Gesang oder auch Klatschspiele wurde auch nochmals deutlich, wie sehr Kinder davon profitieren. Was genau sollten Kinder denn für die Schule mitbringen? Sie sollten Konflikte erkennen und lösen können. Mit anderen Kindern zurechtkommen. Wichtig sind Stiftmotorik und Malentwicklung, aber auch kognitive Kompetenzen wie Reihenfolgen, logisches Denken und ZusamDer Alltag zuhause ist erst einmal die beste Therapie, hier wird Selbstständigkeit und Geschicklichkeit trainiert. Eltern sollten ihre Kinder in der Selbstständigkeit unterstützen, ihnen nicht alles abnehmen oder zu ängstlich sein. Mit drei Jahren können Kinder beim Aufräumen ihrer Spielsachen helfen, Besteck zum Tisch bringen, Wäsche in den Wäschekorb werfen, Blumen gießen usw. Mit sechs Jahren können sie beim Geschirrspüler ausräumen helfen, Wäsche sortieren, allein zum Bäcker um die Ecke gehen … Der Alltag fördert Kinder auf allen Ebenen. Die Voraussetzung: Eltern bringen Zeit und Geduld mit. Alltag Schule kann kann, auch Wer Wenn es nicht gleich mit einem Therapieplatz klappt:

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