StadtLandKind. | Ausgabe 1/2022

Familienleben 12 „Nicht gut genug “ Großeltern sind der soziale Kitt zwischen den Generationen und die Brücke zwischen Vergangenheit und Zukunft. Weltweit spielen sie eine große Rolle in den Familien, sie gelten im besten Fall als Mittelpunkt, als Anker. Erst im 18. Jahrhundert entwickelte sich das Bild der freundlichen, liebevollen Oma, die im Schaukelstuhl sitzend, wahlweise vorlas oder strickend beschäftigt war. Das Bild hat sich seit dem grundlegend verändert. Und jetzt, wo die Generation der Babyboomer Großeltern wird, ist das Bild so divers wie nie zuvor. Oftmals stehen Großeltern heute noch mitten im Leben, wenn ihre Kinder Kinder bekommen. Sind beruflich eingespannt, planen sogar neue Karrieren, haben Hobbys, Freunde, freuen sich auf Reisen. Und wenn die eigenen Kinder Eltern werden, verschiebt sich das Familiengefüge, die Rollen müssen neu gefunden werden, das geht oft nicht ohne Konflikte. Seit einiger Zeit gibt es bundesweit Kurse für Großeltern, in denen sie nicht nur wickeln und füttern lernen können, sondern sich auch austauschen – über Erwartungen, Enttäuschungen und Streitthemen mit den Kindern. Die Familientherapeutinnen und Autorinnen Gundi Mayer-Rönne und Carina Manutscheri, beide begeisterte Mütter und Großmütter, stellten in ihrer täglichen Arbeit fest, dass immer mehr Großmütter ihren Rat suchen. Und: dass es viele Ratgeber für Eltern gibt, aber wenige für Großeltern. Entstanden ist ein großartiger Ratgeber, erschienen 2021 im BELTZ Verlag, der für Großmütter, aber auch für Eltern, Ideen für Lösungen und Wege aus schwierigen Situationen aufzeigt. Liebe Frau Mayer-Rönne, liebe Frau Manutscheri, beim Lesen von „Oma werden – Oma sein“ musste ich spontan an meine Schwiegermutter denken. Dieses Buch hätte ich ihr zur Geburt ihrer Enkel schenken sollen, vielleicht wären viele Missverständnisse vermeidbar gewesen. Ich war damals nämlich sehr überrascht, dass sie eine so ganz andere Sicht auf das Oma-Sein hatte, als ich. Wir Eltern hatten beide erwartet, dass sie uns – wenn gewünscht – unterstützen würde, sich aber mit Ratschlägen und Kommentaren zurückhält. Das Gegenteil war der Fall. Selbst in Kleinigkeiten hatte sie eine eigene Meinung; noch schlimmer für uns: sie hielt sich nicht an Verabredungen (sie würde sagen: Anweisungen), wie zum Beispiel nur gesunde Lebensmittel zu füttern (wobei bereits der Begriff „gesund“ unterschiedlich bewertet wurde …) oder kein perfekt, aber

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