StadtLandKind. | Ausgabe 1/2022

Familienleben 17 „Generation lebensunfähig: Wie unsere Kinder um ihre Zukunft gebracht werden“ Yes Publishing 2021, 19,99 Euro Helfer für jede Lebenslage vorstellen kann. Die unglücklich, depressiv, ohne jede Empathie, die haltlos und unzufrieden ist. Wie konnte es soweit kommen? Das ist natürlich etwas überspitzt ausgedrückt. Aber Fakt ist: Diese Überbehütung hat ein solches Ausmaß angenommen, dass es für die Entwicklung der Kinder ungesund ist. Eltern intervenieren viel zu schnell. Kinder lernen nicht mehr, mit unangenehmen Erfahrungen umzugehen, Frustration auszuhalten, sich zu konzentrieren. Und: je weniger ich als Kind mit anderen Kindern interagiere, desto weniger kann Empathie entstehen. Die Gewalt zwischen Kindern und Jugendlichen hat zwar abgenommen, aber wenn Gewalt entsteht, dann ohne jede Empathie. Selbst wenn der andere schon auf dem Boden liegt, wird nicht aufgehört. Die wenigsten Eltern sehen ihre eigene Kindheit im Rückblick als nachahmenswert. Trotzdem raten Sie Eltern von heute, sich auf ihre eigene Kindheit zu besinnen …? Damit meinte ich nicht, dass früher alles schön und harmonisch war, sondern verstehe es als Appell an Eltern, sich an Situationen zu erinnern, die schwierig waren und daran, wie sie es als Kind geschafft haben, diese zu meistern. Auch mal Langeweile zu haben, Konflikte ohne Elternhilfe zu lösen, Heimweh auszuhalten, allein in den Wald zu gehen und vieles mehr. Auch die bedürfnisorientierte Erziehung kommt bei Ihnen schlecht weg. Was ist daran ungünstig, Kinder auf Augenhöhe in Entscheidungen einzubeziehen? Hier muss man unterscheiden! Viele Eltern erziehen nicht bedürfnisorientiert, sondern beziehen schon 3-jährige Kinder in Entscheidungen ein, quasi als Partner- oder Freundesersatz. Mit Fragen wie: Wohin wollen wir in den Urlaub fahren? Wie sollen wir dein Zimmer gestalten? Diese Begegnung ist für Kleinkinder nicht wirklich kindgerecht. Noch nie sei eine Elterngeneration derart verunsichert gewesen. Bei jeder noch so kleinen Frage, würde diese das Internet konsultieren. Was ist daran so schlimm? Nichts. Aber: Wie gehen wir mit der Flut von Informationen um? Und welche Algorithmen aktivieren wir durch unsere Suche? Die Frage ist doch auch: Wie hätten Sie denn ohne Internet entschieden? Nur mit Ihrem gesunden Menschenverstand und eventuell einer Rückfrage bei den eigenen Eltern oder Freunden. Keine Elterngeneration vorher war so ängstlich und verunsichert und will alles perfekt machen. Das Maximum aus dem Kind herausholen. Aber es ist immer noch ein Kind und kein Programm. Wenn die Generation Alpha dann ins Berufsleben kommt, wird es erst richtig schwierig – und zwar für die Arbeitgeber. Diese müssten sich auf sehr anspruchsvolle junge Arbeitnehmer einstellen, die sich nur ungern zurechtweisen lassen und sehr selbstbewusste Gehaltsforderungen hätten. Aber ist es nicht an der Arbeitswelt, sich endlich zu verändern und auf die sich wandelnde Lebenswelt der Menschen einzustellen? Natürlich muss sich die Arbeitswelt auf die Veränderungen der Gesellschaft einstellen. Aber: Hier kommt eine Generation ins Arbeitsleben, die nie oder nur selten Kritik gehört haben wird. Die immer nur gelobt wurde. Der sämtliche Hindernisse vorab aus dem Weg geräumt wurden. Jetzt kommen sie in einen Betrieb, eine Firma, und da clashen Welten aufeinander. Wenn 90 Prozent der jungen Auszubildenden rein ichbezogen agieren und bei jeder Kritik zusammenbrechen und beleidigt einfach wieder gehen – wie soll da eine Arbeitswelt noch funktionieren? Was muss passieren, dass die Generation Alpha doch noch eine glückliche und selbständige Generation wird? Sobald sich die Kinder in die Welt des Internets begeben, hört die Überbehütung schlagartig auf. Hier kennen sich Eltern nicht aus und für viele ist es wiederum zu anstrengend und fremd, sich in die Welt von Videospielen, TikTok und Instagram einzuarbeiten. Deshalb rate ich: lasst eure Kinder in der analogen Welt selbstständiger werden, lasst hier die Zügel locker. Und: Haltet kleine Kinder so lange es geht von der digitalen Welt fern, lasst sie echte, eigene Erfahrungen machen. Und dann: Begleitet und behütet sie in den unkalkulierbaren Weiten des Internets. bw // Fotos: AdobeStock, Adrian Beck Die Generation Alpha wird sich im digitalen Dschungel zurechtfinden und deren rasende Geschwindigkeit adaptieren wie keine Generation vor ihr. Die analoge Welt kann dadurch zu einer Art „Nebenerscheinung“ werden.

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