StadtLandKind. | Ausgabe 4/2022

Serie: Geld & Finanzen – Teil 4 17 Interview mit Kirstin Wulf von der Initiative „bricklebrit“ Serie Teil 4: Kinder Wirtschaftskrise, Eltern und unsere wir Liebe Frau Wulf, Ihr aktuelles Workshop-Thema lautet: „Die Wirtschaftskrise, wir Eltern und unsere Kinder“. Als Eltern möchten wir natürlich finanzielle Sorgen möglichst von unseren Kindern fernhalten. Der sechsjährige Sohn einer Freundin rief vor einiger Zeit entsetzt: „Mama, sind wir jetzt arm?“ (Sie hatte weder mit ihm über ihre finanziellen Sorgen gesprochen, noch hatte es bisher Veränderungen oder Einschnitte im Alltag gegeben. Sie hatte lediglich einmal abends nicht warm gekocht, sondern Käse und Brot aufgetischt.) Kinder scheinen die allgemeine Unsicherheit also doch zu spüren, auch wenn nicht darüber gesprochen wird. Ja, Eltern überrascht es meist, dass es eigentlich nicht möglich ist, Kinder von unangenehmen und schwierigen Themen fernzuhalten. Kinder kennen und beobachten uns sehr genau und haben gute Antennen für das, was uns beschäftigt. Haben wir Sorgen oder gar Ängste, umso mehr. Wenn wir dann nicht mit ihnen sprechen, machen sie sich ihren eigenen Reim aus ihren Beobachtungen. Das trifft dann besonders junge Kinder. Denn bei ihnen kann die aktuelle Lage durchaus größere Ängste auslösen. Meist vor dem Verlust der Wohnung oder eben, dass nicht mehr genug Geld für eine warme Mahlzeit da ist. Kinder stellen viele Fragen, auf die wir keine Antwort haben. In Ihrem Beispiel: Mama, sind wir jetzt arm? Das ist eine komplizierte Frage. Und gleichzeitig eine tolle Gelegenheit, mit meinem Kind über dieses Thema, ins Gespräch zu kommen. Ich frage gerne zurück: arm? Was ist Armut überhaupt? Wenn das Kind schon mal davon gehört hat, dass es arme Menschen gibt. Kann man sehen, ob jemand arm ist? Und schon sind wir mittendrin in einem Gespräch. Stichwort Energiekrise. Wie können wir kleineren Kindern unsere akute Knappheit an Ressourcen erklären? Mein Sohn hat mit fünf Jahren überlegt, Gesteinsbrocken von Mars und Venus auf der Erde zu verkaufen, um reich zu werden! Daher weiß ich, dass Kinder schon früh ein Gefühl dafür entwickeln, was wertvoll ist. Heute wachsen Kinder also mit dem Bewusstsein auf, dass Energie für uns einen besonderen Wert hat. Für die einen ist es primär eine finanzielle Frage, für andere eine Frage ihres bewussteren Umgangs mit knappen Ressourcen. Auch über Geld reden Eltern mit ihren Kindern nur ungern. Warum ist das (immer noch) so? Weil die meisten Eltern es so auch schon von ihren Eltern kennengelernt haben und die von ihren ... Das Tabu „über Geld wird nicht gesprochen“ hält sich beständig und wird immer noch gelebt. Warum? Das Tabu würde sich nicht so halten, wenn es nicht auch Vorteile für Menschen im Gepäck hätte: Wir schützen andere und uns selbst davor, zu viel von unseren privaten Finanzen preisgeben zu müssen. Leider übersehen wir, dass wir uns damit auch der Möglichkeit berauben, im Austausch mit anderen zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Gerade in Krisenzeiten trifft es dann die Menschen härter, für die ein solcher Austausch eine Chance wäre. Entweder im täglichen Umgang mit den eigenen Finanzen – oder aber auch mit den Sorgen und Ängsten, die die aktuelle Finanzkrise auch bei uns Erwachsenen auslösen kann. Vielleicht, weil wir gern denken: Geld ist nicht alles …? Es stimmt ja – eigentlich. Geld ist nicht alles. Viele Eltern wollen ihren Kindern in dieser sehr konsumorientierten Welt andere wichtige Werte vermitteln. Doch unser Ziel sollte das Erlernen eines selbstbewussten Umgangs sein, der ganz selbstverständlich zu unserem Alltag und Leben gehört. Wenn wir also zu sehr betonen, dass Geld nicht alles ist, schaffen wir irgendwie eine Hürde oder auch Ausrede. Dann muss ich mich ja auch nicht damit beschäftigen – das wollen wir doch eigentlich nicht, oder? Denn die Erwachsenen von morgen brauchen die Kompetenzen und die Motivation, sich verantwortungsvoll mit den eigenen Finanzen zu beschäftigen. bw // Foto: Michael Miethe Mehr zu Kirstin Wulf und „bricklebrit | Eltern. Kinder. Geld.“ unter: bricklebrit.net Das Interview ab 1. Dezember 2022 in voller Länge auf stadtlandkind.info

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