StadtLandKind. | Ausgabe 41/2023

5 Kreativ werden kaufen kann, sind für das ein oder andere Kind durchaus hilfreich, für andere Kinder aber überhaupt nicht. Sollten Kinder, die vor Ideen sprudeln, eher mit einem Angebot zum Dranbleiben gefördert werden, und Detailverliebte besser in der Ideenquelle baden? Auf den kreativen Prozess bezogen sollte geschaut werden, ob das Kind eine Offenheit für die Welt hat oder ob es eher eingeschränkt wahrnehmend ist. Kann es Probleme erfassen, erkennen und analysieren, hat es Strategien, sich Informationen zu beschaffen? Geht es gleich und sehr spontan ans Werk oder hat es eine gewisse Distanz zu seinem Vorhaben? Kann es das Problem und dessen Lösung reflektieren und entsprechend etwas ausarbeiten? Und wie geht das Kind mit dem Ergebnis um? Kann es das Resultat auch kritisch betrachten oder wird automatisch, auch von den Eltern, alles für gut befunden? Viele denken, sie fördern ihr Kind, wenn sie es dauernd loben, aber sie fördern damit eben nicht die Möglichkeit der Selbstreflexion und damit der Weiterentwicklung von Ideen. Lob allein macht also noch keine Meister. Was braucht es noch außer Anerkennung und Anregung? Wichtig ist auch, die Ergebnisse mit den Kindern zu besprechen, sich dafür Zeit zu nehmen. Etwas nur schön zu finden, ist Dekoration und Dekoration ist nicht unbedingt kreativ. Viel wichtiger ist, das Kind nach Hintergrundgedanken zu befragen, Erfahrungen und Erkenntnisse im Umgang mit den Materialien zu hören und vielleicht auch weiterführende Ideen zu vertiefen, die das Kind im Schaffen äußerte. Eltern sollten nicht nur auf das Ergebnis schauen und den Trugschluss begehen: Es sieht schön aus, also ist es kreativ. Wenn Eltern mit ihren Kindern in Austausch treten, nähren sie die Kreativität. Was aber geschieht, wenn sie mit einem flüchtigen Lob abgespeist werden? Um im Bild zu bleiben: Jedes Kind braucht eine andere Nahrung. Für Kinder, die zu Hause wenig bekommen, ist unsere Gesellschaft, der Staat verantwortlich. Alle Kinder sollten durch die frühkindliche Bildung und später in der Schule die Möglichkeit haben, an einem ähnlichen Angebot der Förderung teilzuhaben. Gerade der Bereich der Kitas und auch schon die Zeit zuvor, wird besonders in den Blick genommen, weil bekannt ist, dass dort die Grundlagen gelegt werden. Zählt zu den Grundlagen auch ein sprichwörtlicher Freiraum, in dem Kinder eine freie Wahl haben über Materialien, Geräte oder andere Dinge? Genau, der Freiraum ist wichtig, doch Kinder in unserer Gesellschaft kommen aus ganz unterschiedlichen Kulturen. Da gibt es auch Familien, in denen individuelle Freiheit nicht so sehr geübt wurde. Dort wird sich mehr an der Gemeinschaft orientiert, was tendenziell eher eine Anpassung bedeutet als eine Erziehung zur Individualität. Folglich gibt es Kinder, die mit Freiräumen, aber auchmit einem großen Angebot anMaterialien wenig anfangen können. Diese Kinder irren oft in den Räumen umher, greifen alles mal an, entscheiden sich aber weder für ein Material oder ein Angebot, weil sie es kaum gewohnt sind, selbständig Entscheidungen zu treffen. Aber auch hier gilt wieder das Prinzip, zunächst eine Diagnose zu treffen, zu sehen, wie sich ein Kind verhält, um ihm ein Angebot zu machen, das mitunter auch eine deutlich geringere Materialauswahl umfasst. Wenn schon Eltern gefordert sind, dürften dies Erziehende und Lehrkräfte in einem ganz besonderen Maß sein. Ist in Kitas und Grundschulen das Personal in der Lage, die Förderung zu leisten? Das kann ich nicht generell beurteilen, doch die verstärkten Anstrengungen, im Erziehungsbereich, Personal zu gewinnen, gehen einher mit Einsparungen in der Ausbildung. Perspektivisch könnte daher in Zukunft die Professionalität eher abnehmen. Das ist aber leider ein allgemeines Problem im Bildungsbereich: mehr Betreuung, weniger Förderung. Viele Eltern möchten möglichen Defiziten in Kita und Schule mit freien Angeboten begegnen. Können Kinder damit auch überfordert werden? Nur in dem Sinne, dass für Kinder Angebote in dem Bereich, in dem sie ohnehin stark sind, nahezu nutzlos sind. Grundsätzlich ist eine Bestätigung gut und nichts Schädliches, aber dem Kind werden andere Möglichkeiten genommen. Deshalb ist die Ermittlung des Ist-Zustandes, die Diagnose so wichtig. Eltern sollten auch schauen: Wie werden Kinder in dem jeweiligen Angebot angeregt. Eine große Rolle spielt eben, ob dies gezielt und individuell geschieht, oder ob ein Thema einfach genannt wird und es heißt nur, macht mal. Woran können Eltern noch erkennen, ob sie an der richtigen Adresse sind? Ein weiteres Indiz für eine gute Förderung ist, dass während des Gestaltungsprozesses die Betreuenden darauf achten, die möglicherweise verschiedenen Ideen des Kindes miteinander zu kombinieren. Dann entsteht auch für das Kind etwas vielfältiges Neues und die Betreuenden helfen dem Kind, auf ein weiteres Level zu kommen. //kakü ist Professor für Kunstpädagogik an der Frankfurter Goethe-Universität. Er lehrte zuvor unter anderem an den Universitäten Duisburg-Essen und Erfurt. Kreativitätsforschung und die Gelingensbedingungen der Kreativitätsförderung liegen dem Vater von zwei erwachsenen Kindern besonders am Herzen. Weitere Forschungsschwerpunkte sind die Entwicklung der Kinderzeichnung, das ästhetische Verhalten von Heranwachsenden sowie die Integration digitaler Medien in den Kunstunterricht und in die Lehre an der Universität. Er gewann Preise für „exzellente Hochschullehre“ und ist Mitherausgeber einer Schulbuchreihe. © Foto: Uwe Dettmar Georg Peez

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