StadtLandKind. | Ausgabe 3/2022

Familienleben 8 Sonja Kirste, Eine Liebeserklärung an die Geburt, Cardo Verlag, 2022, 22.– Euro Liebe Sonja, du bist Autorin, Bloggerin, lebst in Hemsbach und hast zwei Töchter. Dein Buch heißt: „Eine Liebeserklärung an die Geburt“. Wie kam es zu der Idee, dieses Buch zu schreiben? Das Buch ist im Grunde als logische Fortsetzung meines Blogs entstanden. Als ich 2016 zum ersten Mal über meine zwei sehr unterschiedlichen Geburten geschrieben hatte, war die Resonanz überwältigend. Ich habe so viele Nachrichten von Frauen bekommen. Da war so viel Trauer und Ohnmacht und auch Wut, da war so viel Gesprächsbedarf. Da dachte ich mir zum ersten Mal, dass hier systematisch etwas schiefläuft. Wenn 9 von 10 Frauen die Geburt ihres Kindes am liebsten vergessen würden, dann kann doch etwas nicht richtig sein. Also wuchs in mir der Wunsch, darüber zu schreiben, dass Geburten eben auch etwas ganz Wunderbares sein können. Warum „Liebeserklärung“? Die meisten Eltern verbinden keine schönen oder romantischen Erinnerungen mit der Geburt ihrer Kinder … Leider hast du damit total recht. Und das ist so schade. Denn die Geburt eines Kindes, das ist ja nicht irgendein x-beliebiger Eingriff wie eine Blind- darm-Operation, bei der es ganz „nice“ wäre, wenn das Setting im Krankenhaus netter wäre. Eine Geburt verändert unser ganzes Leben. Und dann kann eine Geburt eben auch wirklich schön sein. Wenn die werdenden Eltern angemessen 1:1 betreut werden, wenn das Zusammenspiel der Hormone ganz von allein ineinandergreift, wenn die werdende Mutter selbstwirksam ihr Kind gebären kann. Es ist eine Schande, dass dieses empowernde Gefühl so vielen Frauen verwehrt bleibt. „Denn es ist nicht egal, wie wir geboren werden“ ist eine zentrale These des Buchs. Ist „Hauptsache gesund“ nicht mehr genug? Nein. Hauptsache gesund war schon immer ein blöder Spruch. Zuerst mal ist das zutiefst ableistisch. Oder was ist, wenn das Kind nicht „normgesund“ ist? Dürfen sich die Eltern dann nicht freuen? Und was ist eigentlich gesund? Wir meinen landläufig ja dieses „alle 10 Finger sind dran, alle 10 Zehen“ und so weiter. Das allein kann man eben schon diskutieren. Aber was ist denn mit der psychischen Gesundheit? Was ist, wenn das Kind durch eine traumatische Geburt schlimme Anpassungsstörungen hat und wenn die Mutter unter einer Wochenbettdepression leidet? Darüber sprechen wir viel zu selten. Du hast nicht nur über deine eigenen Geburten geschrieben, sondern lässt auch andere Eltern zu Wort kommen. Sie erzählen von schönen, aber auch von schrecklichen Erlebnissen. Ist es Zufall, ob es gut oder schrecklich läuft? Ich fürchte, zu einem gewissen Prozentsatz schon. Denn niemand kann natürlich im Vorhinein beeinflussen, wie der Personalstand gerade im Kreißsaal ist, wenn das eigene Kind kommt. Wir können nicht wissen, ob gleichzeitig viele andere Kinder auf die Welt kommen und die Hebammen von einem Raum zum anderen flitzen müssen. Und dann gibt es halt auch sensibles und weniger sensibles medizinisches FachperHauptsache war schon immer gesund ein blöder Spruch Einleitung, Wehentropf, Rückenmarksnarkose, Kaiserschnitt – fast keine Geburt läuft heute mehr ohne Eingriffe ab. Dabei sollte eine Geburt doch eigentlich ein ganz natürliches und schönes Erlebnis sein. Dazu kommt: Mehr Intervention führt nicht zu gesünderen Kindern oder Müttern. Sonja Kirste, Bloggerin und zweifache Mutter aus Hemsbach, hat ein Buch geschrieben. Eine „Liebeserklärung“ an die Geburt. Wir haben uns mit ihr unterhalten.

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