StadtLandKind. | Ausgabe 4/2022

Familienpolitik 23 Tatsächlich? Ja. Das war einer der Gründe für dieses Buch. Meine eigene Ratlosigkeit über das Phänomen. Also, dass ich am Ende keine Lösung präsentieren kann, sondern meine eigene Ratlosigkeit zur Verfügung stellen wollte. Aber es gibt Möglichkeiten, diesen Mädchen zu helfen? Man kann unterschiedliche Strategien ausprobieren. Auf die Mädchen zugehen oder sich zurücknehmen. Aber was man einfach anerkennen muss, ist die Überzeugung der Mädchen: „Ich finde eure Welt einfach hohl. Da gibt es nichts, was mich lockt oder interessiert." Das muss man würdigen. Und dann anerkennen: Ich kann euch die Welt nicht schönzaubern. Sie bringen auch die Medien ins Spiel. Unterstützen Instagram, TikTok & Co dieses Gefühl? Die Mädchen wissen, dass das alles nicht echt ist. Gleichzeitig ist diese schillernde, schöne Welt mit dem Zwang verknüpft, dabei zu sein. Auch so schillernd hervorzustehen. Aber diese Mädchen gelangen ganz schnell zu der festen Überzeugung, dass sie dieser Welt nichts entgegenzusetzen haben. Nichts Schillerndes, keine Schönheit, kein Selbstwertgefühl. Warum ist es ein Phänomen, das vor allem Mädchen betrifft und weniger Jungen? Mädchen sind doch eigentlich sozial angepasster, besser in der Schule, sozial engagierter … Es gibt auch mutlose Jungs, aber die gab es schon immer. Bei den Mädchen hat sich das Phänomen in den letzten Jahren extrem gesteigert. Zudem habe ich den Eindruck, dass für Jungen mehr Rollenkonserven zur Verfügung stehen. Und es scheint sich eine Art klassische Rollenumkehr zu vollziehen. Junge Väter arbeiten immer mehr Teilzeit, aber die Last der Familienarbeit wird dadurch für die jungen Frauen nicht weniger. Die Last der emotionalen Arbeit ist weiterhin sehr ungleich verteilt. Zum Schluss die für Eltern wohl wichtigste Frage: Was können Eltern tun? Wie können sie gegen die Mutlosigkeit angehen? Nicht im Reflex dagegen angehen, nicht mit 5000 Vorschläge ankommen und das Kind bedrängen. Einfach anerkennen: Dieses Kind ist ratlos. Ratlos heißt ratlos. Das ist ein schrecklicher Zustand. Niemand will ratlos sein. Aber oft ist es ja so: die Dinge ändern sich erst, wenn ich sie anerkenne. Man kann ruhig zu seinem Kind sagen: „Ich weiß jetzt gar nicht weiter, du machst mich völlig ratlos", aber dann sollten die Eltern auch still sein und nicht mit dem nächsten Vorschlag ankommen. Sondern von der Bühne gehen und dem Mädchen die Bühne überlassen. Ihm Platz lassen. Dann geht vielleicht der Vorhang auf und etwas beginnt. bw // Foto: Adobe Stock Immer mehr Mädchen erleben die Wirklichkeit als bedrohlich und überfordernd. Haben wir eine Welt geschaffen, die für einen Teil unserer Kinder nicht mehr attraktiv ist? Haben wir keine lebenswerten Perspektiven geschaffen? Der renommierte Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte- Markwort identifiziert zahlreiche Gründe, warum gerade Mädchen ihre Neugier auf das Leben abhandengekommen ist. Seine Erkenntnisse illustriert er anhand von Fallbeispielen. Er richtet den Blick nach vorn und zeigt Lösungsansätze, die Eltern und Töchtern helfen, Mut zu schöpfen und neue Wege einzuschlagen. Mutlose Mädchen – Ein neues Phänomen besser verstehen. Hilfe für die seelische Gesundheit unserer Töchter. Kösel Verlag, 2022. 22.–Euro Wir verlosen ein druckfrisches Exemplar! Ab dem 5.12.2022 auf stadtlandkind.info/gewinnspiel Buchtipp & Verlosung

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