StadtLandKind. | Ausgabe 4/2022

das regionale Familienmagazin kostenlose Ausgabe 4 / 2022 Der Veranstaltungskalender für DIERegion große f #KiWuFürAlle & ENDOMETRIOSE Kinderwunsch der Inklusion: Schulen Scheitern Das

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3 Editorial Leben Politik Freizeit Kalender StadtLandKind.-Leser-Abo Die aktuelle Ausgabe StadtLandKind. bequem nach Hause geliefert bekommen? Das geht! Für nur 9,90 Euro könnt Ihr bei uns ein Jahresabo abschließen und bekommt damit die nächsten 4 Ausgaben pünktlich vor die Haustür geliefert. Einfach diesen Abschnitt per Post oder per E-Mail mit allen Angaben an uns schicken!* Vorname & Nachname Straße & Hausnumer PLZ & Ort Telefon E-Mail *Adresse: DiesbachMedien GmbH, z. Hd. StadtLandKind.-Leserservice, Friedrichstraße 24. 69469 Weinheim // E-Mail: mit dem Betreff „Leser-Abo“ an leserservice@stadtlandkind.info Hiermit ermächtige ich die DiesbachMedien GmbH, die Zahlung über 9,90 Euro von meinem Konto mittels SEPA Basislastschrift einzuziehen. Zugleich weise ich mein Kreditinstitut an, die von der DiesbachMedien GmbH auf mein Konto gezogenen Lastschriften einzulösen. Ich kann innerhalb von 8 Wochen, beginnend mit dem Belastungsdatum, die Erstattung des belasteten Betrags verlangen. Es gelten dabei die mit meinem Kreditinstitut vereinbarten Bedingungen. Kontoinhaber Bank IBAN Unterschrift Viel Freude mit der aktuellen Ausgabe! Wir freuen uns über Feedback, Ideen, Kritik und Lob unter: redaktion@stadtlandkind.info Ihre und Eure Bettina Wolf und das StadtLandKind-Team haben Sie schon mal den Begriff Endometriose gehört? Nein? Damit sind Sie nicht allein. Denn obwohl 15 Prozent aller Frauen in Deutschland unter Endometriose leiden, wird kaum über diese Krankheit gesprochen. Anna Adamyan, Model, Autorin und Influencerin, will das ändern. Seit ihrem 13. Lebensjahr leidet sie unter dieser äußerst schmerzhaften Erkrankung – aber niemand glaubte ihr. Nicht nur deshalb spricht sie öffentlich – auf Instagram, in Interviews, im Fernsehen – über die Krankheit. Sondern auch weil sie und ihr Mann, der Fußball-Star Sargis Adamyan, sich seit Jahren sehnlichst ein Kind wünschen. Denn Endometriose ist die häufigste Ursache für ungewollte Kinderlosigkeit. Wir haben uns mit Anna – die bis vor kurzem in Heidelberg lebte – über ihre Krankheit und ihre Petition #kiwuFürAlle unterhalten (ab Seite 8). Kinderwunschbehandlung, so ihre Forderung, sollte kostenlos sein. Für alle. Einer kleinen Gruppe an Mädchen in der Pubertät fehlt es an Mut und Neugier, in das Leben hinauszugehen. Sie verweigern den Schulbesuch, einige verwahrlosen. Was sind die Gründe ? Wir haben uns mit dem Kinder- und Jugendpsychiater Michael Schulte-Markwort über sein Buch „Mutlose Mädchen“ unterhalten (ab Seite 22). Erst 25 und schon eine eigene Krippe? Und das als Mann? Leon Mossmann eröffnete im August seine Kindertagespflege „Löwenstark“ in Ilvesheim und hat uns von seinen Erfahrungen erzählt (ab Seite 12). Natürlich haben wir wie immer noch viele weitere spannende Themen. Frische Ausgehtipps, unsere WinterLieblinge und viele, viele Familien-Veranstaltungstipps für die kommenden Monate. Übrigens: Tagesaktuelle Tipps, Termine und tolle Gewinnspiele gibt es auch auf stadtlandkind.info Leserin, Leser, Liebe lieber

4 Inhaltsverzeichnis 12 Das Scheitern der Schulen Inklusion darf kein Wunschkonzert sein 18 Kinderuni im Technoseum Wie macht man einen Film? 26 32 Ausgehen mit Kindern Sauce zum Kleckern, Platz zum Toben Löwenstarke Kinder Tagesvater Leon Mossmann

5 5 Inhaltsverzeichnis © Simone Lobgesang Fotografie 3 4 Familienleben 6 8 12 14 17 Familienpolitik 18 22 Familienfreizeit 24 26 28 30 32 Veranstaltungskalender 34 Editorial Inhalt Schönes für die Winterzeit Die Redaktions-Lieblinge #KiWuFürAlle Interview mit Anna Adamyan Löwenstarke Kinder Tagesvater Leon Mossmann Scheiden tut weh Wenn eine Familie zerbricht Serie: Geld & Finanzen Wirtschaftskrise, wir Eltern und unsere Kinder Inklusion darf kein Wunschkonzert sein Ein Erfahrungsbericht Mutlose Mädchen „Nicht so erschöpft werden wie Mama“ „Hannahs Reise“ Aus dem Odenwald in die Wüste Mit Asterix und Obelix im Schneideraum: Kinderuni im Technoseum Lesen & Hören Unsere Buch- & CD-Tipps „Es ist wie Magie“ Theater für Kinder am Hof-Theater Tromm Serie: Ausgehen mit Kindern Sauce zum Kleckern, Platz zum Toben Dezember bis Februar 8 #KiWuFürAlle Influencerin Anna Adamyan über Endometriose und Kinderwunsch Inhalt

Familienleben 6 Zimtschnecken am Stil Was haben wir nicht alles versucht, um den Kindern Brot MIT Brotrinde schmackhaft zu machen. Keine Chance. Was haben wir nicht alles versucht, die Reste nicht sinnlos zu verschwenden (als Mittagessen ins Büro mitgenommen: das war so semilecker), Brot-Gnocchi mit Käsesauce gekocht, überbackenen Broteintopf, Croutons, Paniermehl ... Aber unser Lieblingstrick ist immer noch: Zimtschnecken am Stil. So geht es: Etwas Übung braucht man, damit die Zimtschnecken wirklich nicht nur lecker, sondern auch hübsch werden. Die Rinden in kleine enge Schnecken rollen, auf einen dünnen Holzspieß fixieren, die Butter mit Zimt und Zucker erhitzen und die Schnecken darin wenden. Und dann heiß genießen. So lecker! Süße Reste Das braucht ihr: Frische Rinde (Vollkorn- oder Weizentoast), Butter/Öl, Zimt und Zucker Winterzeit Schönes für die Wenn es draußen kalt wird, wird es drinnen zwar warm und gemütlich, aber auch in Schnee und Kälte lassen sich wunderbare Aktivitäten als Familien-Event zelebrieren. Ganz oben auf der Wunschliste stehen immer Eislaufen (zum Beispiel auf der neuen Eisbahn in Heddesheim) oder einen Schneemann bauen, Schlitten fahren und ein Iglu bauen. Und warum nicht mal einen Tierpark im Schnee bauen oder „wintergrillen“? Oder wie wäre es mit Tierspurensuche im Wald? Einer Nachtwanderung bei sternklarem Himmel? Noch mehr Tipps & Winterausflüge haben wir auf stadtlandkind.info gesammelt. Mit unserem Weihnachts-To-Do-Planner zum Ausdrucken habt Ihr während der Festtage immer alles im Blick. Für die Geschenkeplanung, das Familienfest oder zur Feriengestaltunng. Einfach unter stadtlandkind. info/downloads kostenlos runterladen. THINGS to do FOR CHRIS I G to R H THINGS to do DAILY planner montag dienstag mittwoch donnerstag freitag samstag/sonntag notes FOR CHRISTMAS DECEMBER All nesach Plan

Und nicht nur der Schneesturm draußen, sondern ihr als Eltern einfach wieder alles falsch macht… dann hilft vielleicht ein Montessori-Beruhigungsglas beim Runterkommen. Wir haben es im Laufe der Jahre in den verschiedensten Farben und mit vielen geheimnisvollen Inhalten gebastelt – und finden sie immer noch toll. Übrigens: der Bastel-Tipp eignet sich auch super für Kindergeburtstage (ab 5 bis 6 Jahre). So geht es: Zunächst einfach das Glas bis zur Hälfte mit Wasser füllen. Dann, je nach Wunsch, das Wasser mit Lebensmittelfarbe oder Wasserfarbe einfärben. Anschließend Glitzer, Perlen oder auch kleine Steine oder Muscheln dazugeben. Zum Schluss noch bis kurz unter den Rand mit Duschgel auffüllen. Wenn ihr die Farbe nicht verfälschen wollt, empfiehlt sich natürlich durchsichtiges Duschgel, sonst kann das Wasser auch erst mit dem Duschgel gefärbt werden. Den Deckel zur Sicherheit mit Sekundenkleber (oder der Heißklebepistole) verschließen. Der Nussknacker. Ein zauberhaftes Ballett. Das weltbekannte Märchenballett von Peter Tschaikowsky (1840– 1893), am 18. Dezember 1892 in Sankt Petersburg uraufgeführt, basiert auf einer Erzählung von E. T. A. Hoffmann und wird mit Spannung und Witz für Kinder ab fünf Jahren von Bert Alexander Petzold neu erzählt. Die fröhlichen Bilder der Illustratorin Rita Atlas lassen uns die bekannte Geschichte neu entdecken. Auf der dem Buch beiliegenden CD ist eine inszenierte Lesung mit Antje Hamer und der beliebten Originalmusik zu hören. Pünktlich zu Weihnachten im Amor Verlag erschienen. Für Kinder ab 5 Jahren geeignet. Wie verlosen eines dieser wunderschönen Bücher (mit CD) aus der ZEIT-Edition. Ab 1.12.2022 auf stadtlandkind.info/gewinnspiel Buchverlosung www.cavalluna.com EUROPAS BELIEBTESTE PFERDESHOW IST ZURÜCK! 24. - 26.02.23 Frankfurt Festhalle Messe Frankfurt Das braucht ihr: Sauberes Schraubglas mit Deckel, heißes Wasser, Duschgel Lebensmittelfarbe, Wasserfarbe, Glitzer, Perlen & Pailletten, Sekundenkleber Wenn der Sturm tobt

Familienleben 8 Sehnsucht es ist eine tiefe Kinderwunsch, ist mehr als nur ein Wunsch Model, Influencerin und ehemalige GNTM- Kandidatin Anna Adamyan wünscht sich seit Jahren ein Kind. Doch die 26-Jährige, die bis vor kurzem mit ihrem Mann, dem Profi-Fußballer Sargis Adamyan, in Heidelberg lebte, leidet an Endometriose, einer Unterleibserkrankung, die eine Schwangerschaft erschwert oder sogar verhindern kann. Deshalb versuchen die Influencerin und ihr Partner mithilfe künstlicher Befruchtung ein Baby zu bekommen – bislang jedoch erfolglos. Sieben Embryotransfers blieben ohne Erfolg, hinzu kamen zwei schmerzhafte Fehlgeburten. Doch die Influencerin gibt nicht auf und versucht alles, um sich ihren Babywunsch trotz Endometriose zu erfüllen. 2021 erlitt Anna in der neunten Schwangerschaftswoche ihre zweite Fehlgeburt. Es war eine schlimme Zeit mit Wehen und Blutungen. Der Embryo wollte nicht abgehen, Mediziner sprechen dann von einer „verhaltenen Geburt“.

Familie am Limit? Bedürfnisse aus dem Blick? Plagt dich ein Konflikt? • Familienberatung • Konfliktberatung • Mediation • Individuelles Coaching Mein Angebot als Balance-Aktivistin: www.christianeyavuz.de Konflikte? Keine Panik! Ein Kurs für Eltern (förderfähig) Start 22. 09., 6 Termine in Mannheim (begrenzte Teilnehmerzahl) Familienleben 9 Liebe Anna, wir freuen uns sehr über das Interview mit dir. Unser Thema soll Endometriose, Kinderwunsch und Fehlgeburt sein. Drei heftige Themen. Danke, dass du trotzdem dabei bist. Und inzwischen bist du ja nicht nur Model und Influencerin, sondern auch Endometriose-Botschafterin … wie hat sich das entwickelt? Mit Instagram hat es sich entwickelt, als ich eher mit dem Modeln aufgehört habe. Eben aufgrund der Endometriose - ich habe das alles so körperlich nicht mehr schaffen können. Dazu habe ich schon immer gerne Fotos gemacht und einfach begonnen, mein Leben zu teilen. Anfangs habe ich selbst die Themen nicht groß angesprochen, jedoch hat es sich immer mehr „falsch angefühlt“, so zu tun, als wäre nichts. Ich wollte aufklären, alles von meinem Leben teilen und habe dann auch damit begonnen. Auf Instagram lässt du deine 57.000 Follower an vielem teilnehmen, auch an sehr privaten Dingen. An deiner Freude über die Schwangerschaft und an der großen Trauer über die zwei Fehlgeburten. Fällt es dir schwer, diese intimen Momente zu teilen? Nein, mir fällt es gar nicht schwer. Ganz im Gegenteil! Mir tut es vielmehr gut, all das nicht verstecken zu müssen. Die Thematik gehört nun mal zu meinem Leben. Es gibt Frauen, die werden nicht sofort schwanger, auch wenn man es immer als Gefühl hat, ist dem einfach nicht so. Ich für meinen Teil kann besser damit umgehen, es offen zu kommunizieren, anstatt es zu verheimlichen. Gemeinsam mit der Ärztin Sarah Plack hast du im April 2022 die Initiative #KiWuFürAlle auf der Plattform Change.org gestartet. Was steckt dahinter? Und was sind eure Forderungen? Wir fordern eine faire Kostenübernahme von Kinderwunschbehandlungen für ALLE! Aktuell sind die Bedingungen mehr als unfair, man ist eingeschränkt im Alter. Zum Beispiel werden die Kosten erst ab einem Alter von 25 übernommen, wenn man davor schon unfruchtbar ist, ist es in diesem Sinne „egal“ oder man muss die Kosten selber tragen. All diese Kosten sind jedoch extrem hoch und nicht jede kann sich diese leisten. Für mich persönlich ist es nicht richtig, denn ein Kinderwunsch ist mehr als nur ein Wunsch, eine tiefe Sehnsucht. Wir Betroffenen wünschen uns kein Auto und dennoch fühlt man sich oft so, wenn es um die Finanzierung dieses Wunsches geht. Es sind viele Dinge, die wir fordern, da würde ich hier einen Roman schreiben! Alle Forderungen findet man direkt bei der Petition. Sarah und ich waren uns hierbei sehr schnell einig, dass bei der Thematik etwas getan werden muss. Endometriose ist eine chronische Krankheit, die (zumindest bis jetzt) als unheilbar gilt. Wie gehst du damit um und was sind die größten Schwierigkeiten? Ich habe für mich selbst versucht einen Weg des Umgangs mit den Schmerzen zu finden, was nicht immer einfach war. 2017 war ich in einer Endometriose-Reha und habe da sehr viel über mich und meinen Körper gelernt. Genauso wie über den Umgang mit chronischen Schmerzen. Es hat eine lange Zeit gedauert, bis ich verstanden habe, dass ich leider mit der Endometriose leben muss und es die Situation NICHT besser macht, wenn ich dagegen angehe. Grundsätzlich ist es ein langer Prozess, um herausfinden zu können, was einem hilft und was eventuell auch nicht. Werden die Schmerzen mit der Zeit leichter zu ertragen? Ehrlich gesagt? Gar nicht. Traurigerweise gewöhnt man sich lediglich an den fiesen Schmerz. Natürlich gibt es Schmerzmittel & Co, die eventuell Abhilfe schaffen. Schlimm bleibt es jedoch immer. Wie reagiert deine Umgebung auf deine Krankheit? Mein Umfeld reagiert immer sehr gut auf die Endometriose und alles, was dazu gehört. Jedoch war auch das ein Prozess, der angedauert hat. Nicht alle haben es sofort nachvollziehen können und haben, genauso wie ich, Zeit Weitere Informationen zum Thema und passende Buchtipps findet ihr auch unter: stadtlandkind.info oder besucht uns auf Social Media: stadtlandkind_ familienmagazin/ StadtLandKind Familienmagazin

Familienleben 10 Endometriose Jede zehnte Frau in Deutschland leidet an Endometriose, einer äußerst schmerzhaften Krankheit, bei der sich gutartige Wucherungen aus gebärmutterschleimhautartigem Gewebe an Eierstöcken, Gebärmutter, Darm oder Bauchfell ansiedeln. Bereits junge Mädchen können ab der Pubertät unter Endometriose leiden, diagnostiziert wird es in den meisten Fällen erst viele Jahre später. Bei 40 bis 70 Prozent der ungewollt kinderlosen Frauen ist Endometriose der Grund für ihre Unfruchtbarkeit. Trotz der Zahlen wird immer noch viel zu wenig über diese weit verbreitete Erkrankung gesprochen und aufgeklärt. Ein operativer Eingriff, also eine Bauchspiegelung, gilt bis heute als einzige Möglichkeit, wirksam gegen Endometrioseherde vorzugehen. #EndEndoSilence-Petition, #KiwuFürAlle! benötigt. Mir häufig zugehört und ja, manchmal musste ich auch mit dem Holzhammer auf den Tisch hauen und sagen, was Phase ist. Wusstest du schon immer, dass du Endometriose hast? Nein, das geht ja auch gar nicht. Grundsätzlich benötigt es aktuell im Schnitt sechs bis zehn Jahre, teilweise mehr als zehn Jahre, dass die Betroffenen ihre Diagnose bekommen. Als ich 13 Jahre alt war, bekam ich den Verdacht. Trotz Verdacht ist es nicht ernst genommen worden und mit 19 Jahren bekam ich dann die Diagnose. Nach der Ausschabung wurde der Embryo in einem Labor für Humangenetik genetisch untersucht. Was kam dabei heraus? Ich hatte eine Saugkürettage – keine genaue Ausschabung. Bei der genetischen Untersuchung kam dann raus, dass der Embryo eine Trisomie 8 und X hatte, was absolut nicht lebensfähig ist und das deshalb zum Missed Abort geführt hat. An einer Stelle wirst du mit den Worten zitiert: „Wir sind 50.000 Euro ärmer und haben immer noch kein Kind.“ Aber aufgeben kommt nicht infrage, oder? Nein - abgesehen davon finde ich das Wort „aufgeben“ absolut fehl am Platz bei dieser Thematik. Es impliziert, dass man „verloren“ hat, dabei hat man alles für sein Wunder gegeben - ganz egal, wie es bei den Betroffenen aussah. Kinderwunschbehandlungen gelten als psychisch und physisch extrem herausfordernd. Konnte sich dein Körper wieder erholen? Das stimmt, vor allem die Stimulationen sind körperlich nicht gerade angenehm. Ich gönne meinem Körper immer Auszeiten und tue nur das, was sich richtig anfühlt … :) Wurdest du bei den Behandlungen und Fehlgeburten gut begleitet? Ja, sowohl von meinem Mann, als auch von Familie & Freunden. Ich habe sehr viel Glück, ein sehr tolles Umfeld zu haben. Zusätzlich wurde ich ärztlich bisher auch immer sehr gut betreut und bin dafür sehr dankbar. Nach einer Fehlgeburt fühlen sich viele Eltern sehr alleingelassen. Außer ihnen kannte ja niemand das Kind und so trauern die Eltern meistens allein. Wie hat dein Umfeld auf diese Schicksalsschläge reagiert? Mein gesamtes Umfeld hat sehr mit uns mitgelitten und war 24/7 für uns da. Ich muss wirklich sagen, dass ich heute noch überwältigt von all der Liebe bin, die wir bekommen haben. Hast du Erinnerungen an diese Kinder aufgehoben? Oder ist es einfacher, sich nicht zu erinnern? Sterneneltern sind auch Eltern! Ihr seid Mama und Papa, auch wenn ihr keinen Kinderwagen schiebt. Ihr seid Eltern eures eigenen Engels. Online ist es einfach, Gleichgesinnte zu finden. – Im echten Leben sollte es genauso einfach sein! Trage das Armband und lerne auf diesem Weg Mamas und Papas kennen, die das gleiche Schicksal teilen. Der Schmerz, den ihr zu tragen habt, ist schwer genug. Deswegen solltet ihr euch nicht allein fühlen. Nadja (Instagram: @sternenband) schickt allen auf Anfrage kostenlos ein kleines Sternenarmband zu, damit Sternenmamas sich auch im realen Leben erkennen können. Das Sternenband ist ein schwarzes Gummiband mit einem echt versilberten Stern und farbige Glasperle/n. Für jeden Engel gibt es eine farbige Perle, diese richtet sich nach dem Trimester. Wenn es mehrere Engel sind, kommen alle an ein Armband. Und auch Geschwisterkinder haben eine Farbe. Jeder zahlt, was er/sie kann und möchte: sternenband.de

Familienleben 11 Ich habe alle Ultraschalle, Tests und generell alles zu der künstlichen Befruchtung aufgehoben. Allgemein habe ich nahezu alles der letzten Jahre für mich als Erinnerung in einer Kiste. Ich finde diese Erinnerungen sehr wertvoll, auch wenn sie nicht immer nur positiv sind … Nach mehreren künstlichen Befruchtungen und zwei Fehlgeburten hast du dich in einer belgischen Kinderwunschklinik beraten lassen und einer PRP-Behandlung unterziehen lassen – einer „ovariellen Verjüngung“. Was genau ist das und wie geht es jetzt weiter? Es ist eben eine „ovarielle Verjüngung“ – wie ein Vampirlifting im Gesicht wurde das Gleiche bei meinen Eierstöcken und der Gebärmutter gemacht, mit der Hoffnung, dass ich dadurch eventuell bessere Eizellen produzieren kann und auch mehr. Ich finde den Ansatz sehr spannend und rein optisch sehen meine Eierstöcke nach einer Behandlung auch schon viel besser aus. Im November starten wir mit der nächsten ICSI, das wird aufregend und ich bin mehr als bereit. bw // Fotos: Simone Lobgesang Zum Weiterlesen In der Regel bin ich stark: Endometriose: Warum wir unsere Unterleibsschmerzen ernst nehmen müssen!. Anna Adamyan & Saskia Hirschberg. Eden Books 2019. 16.95 EURO. ISBN: 3959102283

Familienleben 12 Die fünf kleinen Kinder, die Leon Mossmann täglich umsorgt, füttert, mit denen er spielt und spazieren geht, sind nicht die eigenen. Der 25-jährige Ilvesheimer eröffnete Mitte August eine Kindertagespflege und geht seit acht Jahren als Erzieher einer Beschäftigung nach, die nach wie vor von Frauen dominiert wird. Er fasste den Mut, sich als Tagesvater selbstständig zu machen. „Ich habe die Entscheidung aus Überzeugung getroffen und bereue sie nicht“, sagt er stolz. Laut Statistischem Bundesamt sind deutschlandweit nur rund sieben Prozent aller Kindergärtner Männer. Leon, wie war dein Start als Tagesvater? Es lief eigentlich alles so, wie ich es mir vorgestellt habe. Aufgrund der vielen Jahre Berufserfahrung in einem Kindergarten wusste ich im Großen und Ganzen, was auf mich zu kommt. Die Eingewöhnungen mit den Kindern sind sehr individuell und machen jede Menge Spaß. Wie alt sind die Kinder in deiner Einrichtung? Sie sind zwischen einem und drei Jahren. Das aktuell jüngste Kind ist 14 Monate und das älteste zweieinhalb Jahre. Du bist ein sehr junger Tagespapa. Wie kam es zu der Entscheidung, eine eigene Kindertagespflege zu eröffnen? Es kamen viele kleinere Faktoren zusammen. Der Personalmangel in den Einrichtungen spielte dabei die wohl größte Rolle. Mit 24 Kindern teilweise alleine zu sein, macht einfach keinen Spaß. Wir Erzieher können so den Bedürfnissen der Kinder und teilweise auch der Eltern nicht mehr gerecht werden. Das kann sehr frustrierend sein. Daher habe ich mit der Eröffnung einer eigenen kleinen Kindertagespflege mit deutlich weniger Kindern eine Lösung gesehen, um mehr auf die Bedürfnisse der Kleinen eingehen zu können. Du hast selber keine Kinder. Ist das ein Vor- oder Nachteil? Zurzeit sehe ich es als kleinen Vorteil, denn an Erfahrung mit Kindern fehlt es mir nicht. Da ich noch keine eigenen Kinder habe, bin ich flexibel, was die Betreuung angeht. Du umsorgst die fünf Tageskinder in deinen eigenen Räumen, sprich deiner eigenen Wohnung. Warum Löwenstarke Kinder

Familienleben 13 keine separaten Räume, um Privates und Berufliches vielleicht zu trennen? Anfangs war das tatsächlich der Plan. Dann haben meine Freundin und ich glücklicherweise eine tolle Wohnung gefunden, in der ich im vorderen Bereich meine Kindertagespflege anbieten kann und wir quasi hintendran wohnen. Die Wohnung und den Garten konnten wir dank meiner Schwiegereltern, die gleichzeitig unsere Vermieter sind, kindgerecht umbauen. Ob Frühstück oder Mittagessen, bereitest du das selbst zu? Es gibt Frühstück, Mittagessen und für die Kinder, die etwas länger dableiben, noch einen kleinen Mittagssnack. Das bereitet alles meine Mutter zu. Ich selbst würde das wahrscheinlich auch nicht alles unter einen Hut bekommen. Kochen kann ich zwar gut, jedoch nicht mit fünf Kindern, die zeitgleich beaufsichtigt werden müssen. Was sind die größten Herausforderungen in deinem Beruf? Herausfordernd sind aktuell ein wenig die Eingewöhnungen. Denn wenn ein neues Kind kommt und ich eine Bindung zu ihm aufbauen möchte, muss ich gleichzeitig auch für die anderen Kinder da sein. Laut Statistischem Bundesamt sind deutschlandweit nur rund sieben Prozent aller Kindergärtner Männer. Die Kita ist eine Frauendomäne, die mit Fachkräfte- mangel zu kämpfen hat. Warum ist das deiner Meinung nach so? Da stecken sicherlich viel Klischeedenken und Vorurteile von früher dahinter. Traditionell wird der Beruf von Frauen ausgeübt. Gedanken haben sich geändert und Kitas sollten so vielfältig sein wie die Lebenswelten der Kinder. Dafür brauchen Kinder Frauen und Männer zur Begleitung in den Lebensstart. Ich kann anderen Männern nur Mut machen, ebenfalls Erzieher zu werden. Im Alltag mit Kindern kommt so vieles zurück, was man so in keinem anderen Beruf erfährt. Mit welchen Vorurteilen oder An- schuldigungen hast du als Mann in diesem Job zu kämpfen? Bis jetzt tatsächlich mit keinen. Sicherlich gibt es Menschen, die uns Männern eher skeptisch begegnen oder ihr Kind bei mir nicht anmelden möchten, weil ich ein Mann bin. Diese Eltern melden sich natürlich bei mir nicht, da bei meiner Kindertagespflege von Anfang an klar ist, ich betreue die Kinder. Daher hatte ich dahingehend bisher keine Berührungspunkte. • In Baden-Württemberg qualifizieren sich Kindertagespflegepersonen in einem überwiegend tätigkeitsbegleitenden Kurs von 300 Unterrichtseinheiten. • ‚ Nach den tätigkeitsvorbereitenden 50 Unterrichtseinheiten kann die Tätigkeit aufgenommen werden, sofern eine Pflegeerlaubnis durch das örtliche Jugendamt erteilt wurde. • Außerdem wird benötigt: Erste-Hilfe-Kurs für Säuglinge und Kleinkinder, welcher alle zwei Jahre aufgefrischt werden muss. Ein ärztliches Gesundheitszeugnis. Ein erweitertes Führungszeugnis. • Zusätzlich bilden sich Kindertagespflegepersonen jährlich mit mindestens 20 Unterrichtseinheiten fort. • Passende räumliche Gegebenheiten. Der Haushalt muss kindgerecht gesichert sein. • Ansprechpartner: Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis Jugendamt – Kindertagespflege; Kurpfalzring 106 in 69123 Heidelberg-Pfaffengrund; 06221 5221520; Antragsformulare: rhein-neckar-kreis.de Wie wird man Tagesmutter oder -vater? Wie stehst du zur oftmals öffentlichen Debatte des immer wieder im Raum schwebenden Gedanken des Missbrauchs, vorwiegend als Anschuldigung gegenüber Männern? Ich glaube, dass grundsätzlich sowohl Frauen als auch Männer ihre Positionen als Erwachsene missbrauchen können. Gefühlt stürzen sich die Medien jedoch vorwiegend auf Vorfälle mit männlichen Erziehern. Warum sind in der Kleinkindbetreuung gerade männliche Bezugspersonen so wichtig? Hier sind Frauen genauso wichtig wie Männer. Jedoch gerade bei alleinerziehenden Müttern oder auch Familien, in denen der Vater viel arbeitet oder beruflich häufig abstinent ist, kann eine männliche Bezugsperson in Kindergärten und Co. sehr hilfreich und ein willkommener Ausgleich sein. Was sind deine Zukunftspläne? Mein langfristiges Ziel ist es, meine Kindertagespflege noch ein wenig zu vergrößern, aber erst einmal stehen die aktuell fünf Kinder an erster Stelle. jelu // Foto: rit Den Podcast gibt es auf wnoz.de/podcast und auf allen gängigen Streamingportalen, oder den nebenstehenden QRCode einscannen. Reinhören auf: wnoz.de/wn/Mediathek/podcast

Familienleben 14 Vorsorgen statt Heilen: Paar bleiben, auch während der Elternschaft, kostet Zeit und Energie, aber definitiv weniger Zeit und Energie als eine Trennung. Abschließen eines Ehevertrags. Wir trennen uns. Drei Worte, die eine Welt bedeuten. Oder besser gesagt: Das Betreten einer neuen Welt. Im Jahr 2021 wurden fast 40 Prozent der Ehen in Deutschland geschieden. Die Zahl ist bekannt, aber so richtig damit rechnen will niemand. Auch nicht Pia. „Natürlich habe ich gemerkt, dass wir zu wenig für uns als Paar machen“, berichtet sie. „Bei drei Kindern zwischen fünf und zehn gibt es einfach immer etwas zu organisieren, und die Erwachsenen fallen hinten runter.“ Trotzdem habe sie weiter funktioniert und sich darauf verlassen, dass eine über zwei Jahrzehnte andauernde Beziehung auch eine solche Durststrecke aushalten kann. Fehlanzeige. „Im April hatte ich einen Hörsturz, und als mein Mann mich vom Arzt abholte, war da keinerlei Sorge zu spüren“, erinnert sie sich. Also habe sie nachgefragt, ihn bedrängt und schließlich eine Antwort bekommen: Er werde sich trennen. Und er liebe eine andere Frau. „Das war wie ein Schlag ins Gesicht“, bekennt die 41-Jährige. Im ersten Moment ist sie hilflos, im zweiten bekommt sie Angst. Wie viele andere Frauen arbeitet sie seit der Geburt des ersten Kindes in Teilzeit und übernimmt einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit. Wie soll das in Zukunft funktionieren? Und: Wie werden die Kinder die Situation verkraften? Der Anfang ist schwer, aber noch zieht das Paar an einem Strang. Sie lassen sich von einer Caritas-Mitarbeiterin beraten und bereiten gemeinsam das Gespräch vor, in dem sie ihre Kinder über die Trennung informieren. „Das war vermutlich der schwerste Moment überhaupt“, berichtet Pia. „Unsere Kinder waren völlig ahnungslos. Es war eine große Hilfe, dass wir im Vorfeld Sätze formuliert hatten, an denen wir uns entlanghangeln konnten.“ Das Ziel: den Kindern vermitteln, dass sie keinerlei Schuld trifft. „Ich führe ein Leben, das ich eigentlich gar nicht führen wollte“ Rückblickend sagt Pia: „Die ersten Wochen waren schmerzhaft, aber irgendwie okay. Mein Mann hat versprochen, dass seine Freundin erst nach ungefähr sechs Monaten eine Rolle spielen wird und dass er finanziell für mich und die Kinder Eine Trennung mit Kindern wirft Lebensentwürfe über den Haufen, bringt oft finanzielle Sorgen und immer die Frage mit sich, wie die Kleinsten der Familie die schwierige Phase gut überstehen. Pia* durchlebt diesen Prozess aktuell und hat uns Einblicke in ihre Situation gegeben. Scheidenweh tut

Familienleben 15 Erste Hilfe In Weinheim und Umgebung gibt es verschiedene Beratungsstellen, die kostenlose Sprechstunden anbieten: pilgerhaus.de/junge-menschen-familien/beratung/psychologische-familien-und-erziehungsberatung/ caritas-rhein-neckar.de/erziehungsberatung/ dw-rn.de/angebote/familie-und-schwangerschaft/ehe-familien-und-lebensberatung/ Die seelische Verfassung ist essenziell für einen guten Trennungsprozess: caritas-rhein-neckar.de/ trennungs-und-scheidungsgruppe/ Bei diesem Konzept geht es darum, sich emotional ganz bewusst vom ehemaligen Partner zu lösen und so eine Basis für die weitere Beziehung zu bilden: uncoupling.eu/ oder annette-oschmann.de/conscious-uncoupling/ Angebote mit Fokus auf Kinder: kinder-im-blick.de/ Bericht auf StadtLandKind: stadtlandkind.info/ich-will-dass-es-ihmschlecht-geht-ich-will-dass-es-ihrgut-geht/ dw-rn.de/angebote/familie-und-schwangerschaft/ gruppe-fuer-kinder-und-jugendliche-deren-eltern-sich-getrennt-haben-in-weinheim/ Eigenes Netzwerk aktivieren Notfallkontakte definieren, die zu jeder Tages- und Nachtzeit angesprochen werden dürfen, Erfahrungsberichte einsammeln. Kommunikation mit dem Partner möglichst schriftlich und auf Sachebene beschränken. da sein wird.“ Doch es kommt anders. Bereits nach drei Monaten konfrontiert Pias Mann die gemeinsamen Kinder mit der neuen Frau in seinem Leben – und ihren drei Kindern. Eine Mediation scheitert, die Unterhaltsberechnung zieht sich hin, es gibt Streit wegen nicht eingehaltener Absprachen, Beschimpfungen auf beiden Seiten und vor allem wird deutlich, dass beide Elternteile weit davon entfernt sind, sachlich miteinander umgehen zu können. Zu tief sind die Verletzungen, zu emotional die beiden Charaktere. Was Pia in dieser Zeit geholfen hat? Ein Netzwerk aus Freunden und Leidensgenossinnen. Besonders der Kontakt zu einer Studienfreundin, die mit „unfassbarer Energie“ fast ununterbrochen an ihrer Seite war, habe sie „über Wasser“ gehalten. Und: „Es war Wahnsinn, wie viele Frauen mir erzählt haben, dass es ihnen genauso ergangen ist“, sagt Pia. „Alle haben irgendwie die Kurve bekommen. Das hat mir Mut gemacht.“ Auch einige Coachingstunden nimmt Pia in Anspruch, aktuell besucht sie außerdem den Kurs „Kinder im Blick“. Diesen absolvieren beide Partner in unterschiedlichen Gruppen, Pias Mann startet später im Jahr. Die Kinder sind Pias größte Sorge. „Vordergründig stecken sie alles ganz gut weg“, erzählt Pia. Trotzdem sei sie sich sicher, dass die heftigen Wutausbrüche der mittleren Tochter und häufige Bauchschmerzen bei der Großen ein klares Zeichen für eine Überforderung mit der Situation sind. Im letzten Urlaub mit einer befreundeten Familie gab es abends Einschlafprobleme, weil im direkten Vergleich überdeutlich wurde, was gerade fehlt: Papa. „Das Familienleben, das sie kennen, existiert nicht mehr. Und genau wie ich müssen sich die Kinder erst in dieser neuen Konstellation zurechtfinden“, glaubt die Dreifach-Mama. Es zeigt sich, dass Pias Mann gedanklich schon viel weiter ist. „Er hat sich auf diesen Schritt länger vorbereitet und erwartet, dass alle seine Entscheidung akzeptieren und mittragen“, berichtet Pia. „Bis heute ist das sehr viel verlangt und für mich manchmal schlicht unmöglich. Ich führe ein Leben, das ich eigentlich gar nicht führen wollte.“ Zusätzlich belastet Pia die Konkurrenzsituation. Während sie im Alltag nach wie vor den Großteil der Sorgearbeit übernimmt, Wäsche macht und Geburtstage organisiert, nutzt der Vater der Kinder seine Wochenenden für Ausflüge und hat neue Haustiere angeschafft. „Was früher unmöglich war, geht nun mit der neuen Familie“, berichtet Pia. „Das tut auch nach mehreren Monaten immer noch sehr weh.“ Wie geht es weiter? Eine Wende tritt ein, als sich Pia und ihr Mann dazu entscheiden, zwei Anwältinnen zu beauftragen. Pia: „Natürlich ist das deutlich

Bereit für die Zukunft Das mitwachsende Konto passt sich den Lebensphasen Ihres Kindes an. Mehr Informationen auf www.spkrnn.de Familienleben 16 teurer. Aber auf diese Weise kann ich mir sicher sein, dass jemand meine Interessen in den Vordergrund stellt.“ Außerdem habe es den Weg zu sachlichen Gesprächen geebnet, berichtet sie. Aktuell laufen die Unterhaltsberechnungen. Sie mache sich nichts vor, sagt Pia. „Wir bleiben noch über zehn Jahre über die Kinder miteinander verbunden. Und vermutlich wird es in dieser Zeit immer wieder auch Streit und schwierige Phasen geben.“ Ihr Ziel sei es, die Kinder und sich selbst seelisch unversehrt durch die Trennung zu bringen. Und sie rät dazu, in einer ähnlichen Situation Hilfe anzunehmen. Auf die Frage, ob sie rückblickend etwas anders machen würde, antwortet Pia: „Vermutlich schon. Einen Ehevertrag hätte ich wahrscheinlich dennoch nicht geschlossen. Aber ich hätte viel früher Gespräche mit meinem Mann eingefordert und professionelle Hilfe gesucht. Vielleicht hätten wir uns trotzdem getrennt. Aber für mich und unsere Kinder wäre es sicher deutlich weniger schmerzhaft gewesen.“ bas // Fotos: Adobe Stock * Name von der Redaktion geändert Und die Vätersicht? In der kommenden Ausgabe von StadtLandKind kommt ein Vater zu Wort.

Serie: Geld & Finanzen – Teil 4 17 Interview mit Kirstin Wulf von der Initiative „bricklebrit“ Serie Teil 4: Kinder Wirtschaftskrise, Eltern und unsere wir Liebe Frau Wulf, Ihr aktuelles Workshop-Thema lautet: „Die Wirtschaftskrise, wir Eltern und unsere Kinder“. Als Eltern möchten wir natürlich finanzielle Sorgen möglichst von unseren Kindern fernhalten. Der sechsjährige Sohn einer Freundin rief vor einiger Zeit entsetzt: „Mama, sind wir jetzt arm?“ (Sie hatte weder mit ihm über ihre finanziellen Sorgen gesprochen, noch hatte es bisher Veränderungen oder Einschnitte im Alltag gegeben. Sie hatte lediglich einmal abends nicht warm gekocht, sondern Käse und Brot aufgetischt.) Kinder scheinen die allgemeine Unsicherheit also doch zu spüren, auch wenn nicht darüber gesprochen wird. Ja, Eltern überrascht es meist, dass es eigentlich nicht möglich ist, Kinder von unangenehmen und schwierigen Themen fernzuhalten. Kinder kennen und beobachten uns sehr genau und haben gute Antennen für das, was uns beschäftigt. Haben wir Sorgen oder gar Ängste, umso mehr. Wenn wir dann nicht mit ihnen sprechen, machen sie sich ihren eigenen Reim aus ihren Beobachtungen. Das trifft dann besonders junge Kinder. Denn bei ihnen kann die aktuelle Lage durchaus größere Ängste auslösen. Meist vor dem Verlust der Wohnung oder eben, dass nicht mehr genug Geld für eine warme Mahlzeit da ist. Kinder stellen viele Fragen, auf die wir keine Antwort haben. In Ihrem Beispiel: Mama, sind wir jetzt arm? Das ist eine komplizierte Frage. Und gleichzeitig eine tolle Gelegenheit, mit meinem Kind über dieses Thema, ins Gespräch zu kommen. Ich frage gerne zurück: arm? Was ist Armut überhaupt? Wenn das Kind schon mal davon gehört hat, dass es arme Menschen gibt. Kann man sehen, ob jemand arm ist? Und schon sind wir mittendrin in einem Gespräch. Stichwort Energiekrise. Wie können wir kleineren Kindern unsere akute Knappheit an Ressourcen erklären? Mein Sohn hat mit fünf Jahren überlegt, Gesteinsbrocken von Mars und Venus auf der Erde zu verkaufen, um reich zu werden! Daher weiß ich, dass Kinder schon früh ein Gefühl dafür entwickeln, was wertvoll ist. Heute wachsen Kinder also mit dem Bewusstsein auf, dass Energie für uns einen besonderen Wert hat. Für die einen ist es primär eine finanzielle Frage, für andere eine Frage ihres bewussteren Umgangs mit knappen Ressourcen. Auch über Geld reden Eltern mit ihren Kindern nur ungern. Warum ist das (immer noch) so? Weil die meisten Eltern es so auch schon von ihren Eltern kennengelernt haben und die von ihren ... Das Tabu „über Geld wird nicht gesprochen“ hält sich beständig und wird immer noch gelebt. Warum? Das Tabu würde sich nicht so halten, wenn es nicht auch Vorteile für Menschen im Gepäck hätte: Wir schützen andere und uns selbst davor, zu viel von unseren privaten Finanzen preisgeben zu müssen. Leider übersehen wir, dass wir uns damit auch der Möglichkeit berauben, im Austausch mit anderen zu lernen und uns weiterzuentwickeln. Gerade in Krisenzeiten trifft es dann die Menschen härter, für die ein solcher Austausch eine Chance wäre. Entweder im täglichen Umgang mit den eigenen Finanzen – oder aber auch mit den Sorgen und Ängsten, die die aktuelle Finanzkrise auch bei uns Erwachsenen auslösen kann. Vielleicht, weil wir gern denken: Geld ist nicht alles …? Es stimmt ja – eigentlich. Geld ist nicht alles. Viele Eltern wollen ihren Kindern in dieser sehr konsumorientierten Welt andere wichtige Werte vermitteln. Doch unser Ziel sollte das Erlernen eines selbstbewussten Umgangs sein, der ganz selbstverständlich zu unserem Alltag und Leben gehört. Wenn wir also zu sehr betonen, dass Geld nicht alles ist, schaffen wir irgendwie eine Hürde oder auch Ausrede. Dann muss ich mich ja auch nicht damit beschäftigen – das wollen wir doch eigentlich nicht, oder? Denn die Erwachsenen von morgen brauchen die Kompetenzen und die Motivation, sich verantwortungsvoll mit den eigenen Finanzen zu beschäftigen. bw // Foto: Michael Miethe Mehr zu Kirstin Wulf und „bricklebrit | Eltern. Kinder. Geld.“ unter: bricklebrit.net Das Interview ab 1. Dezember 2022 in voller Länge auf stadtlandkind.info

Familienpolitik 18 Kinder mit Einschränkungen haben in Deutschland ein Recht auf Bildung – wie alle anderen Kinder auch. Warum aber scheitern so viele Schulen immer noch beim Thema Inklusion? Und warum sieht die Gesellschaft noch immer die Arbeit in einer Behindertenwerkstatt – unterbezahlt, unsichtbar – als erste und letzte Station eines Arbeitslebens für behinderte Jugendliche und junge Erwachsene vor? Wir haben uns mit Eltern eines Kindes mit einer geistigen und körperlichen Beeinträchtigung über die vielen zermürbenden Versuche unterhalten, ihrem Sohn Paul* eine „normale“ Schullaufbahn zu ermöglichen. Heute ist Paul 18 Jahre alt. Zurzeit ist er ohne Abschluss zuhause. Hätte er nicht engagierte Eltern, die den Schulen und Institutionen einen Großteil der inklusiven Arbeit abgenommen haben, gäbe es für ihn trotz seiner vielen Talente, Interessen, seiner sozialen Kompetenz und Selbständigkeit keine Alternative mehr zum Sonderschulsystem. Wir haben uns mit Pauls Eltern unterhalten. Dass Paul eine Beeinträchtigung haben könnte, wurde den Eltern bereits in der Schwangerschaft bewusst. Eigentlich war Karla* mit Zwillingsjungen schwanger, die sich eine Plazenta teilten. Doch in der 21. Schwangerschaftswoche verstarb eines der Kinder. Stirbt ein Zwilling als Fötus, kommt es in der Regel zu einer Fehlgeburt. Überlebt der andere kann es zu schweren Beeinträchtigungen, wie beispielsweise Schädigungen am Gehirn des verbleibenden Fötus, kommen. „In diesem Fall raten die Ärzte den Eltern immer zu einem Abbruch. Für uns kam das aber nicht in Frage“, stellt Karla klar. Und zu ihrem großen Glück konnte der Pränataldiagnostiker im großen Ultraschall keine Schäden am Gehirn feststellen. Dass doch etwas „nicht normal“ war, zeigte sich erst drei Monate nach der Geburt, als die Eltern bemerkten, dass Paul die rechte Hand nicht bewegen konnte. Untersuchungen belegten: die rechte Seite seines Körpers war von einer Spastik betroffen. Durch den Tod des Zwillings war es vorgeburtlich zu einer Cerebralparese gekommen. Trotzdem. Paul entwickelte sich gut. „Wir haben dann in unserem Wunschkindergarten, einem Waldorfkindergarten in der Nähe, einen Platz für ihn bekommen", erzählt die MutWunschkonzert Inklusion darf kein sein

Familienpolitik 19 Anfälle sind bis heute geblieben – trotz vieler Therapien, schwerer Medikamente und Hirnimplantat. Sie werden getriggert durch Situationen, in denen er sich, ähnlich seiner ersten Schulerfahrung, ausgeliefert fühlt. Erst einmal leistete die Familie von da an die Fahrten eigenständig, aber im Laufe der ersten Monate stellte sich heraus, dass „kein förderbedarfsgerechtes Lernen in der Kleingruppe stattfand. Sondern durch die emotionale Überforderung gar kein Lernen möglich war, dort weder Inklusion noch echte Schulbildung stattfand," rekapituliert Karla. „Keine Schule wollte ihn“ Die Suche nach einer Schule, die zur Inklusion bereit war, begann aufs Neue. „Keine Schule wollte ihn“, Karla erzählt es nüchtern. Viele vielversprechende Erstgespräche, viele Enttäuschungen, viele Absagen. „Als ich Paul von einem Probetag abholte, sagte mir der Schulleiter ohne jede Empathie oder Höflichkeit ins Gesicht: ‚Das hier hat überhaupt keinen Sinn!' Eigentlich bin ich sehr nervenstark. Aber an dem Tag musste ich auf dem Heimweg so sehr weinen … und Paul auch.“ Doch als sich eine Grundschule in einer Nachbarstadt bereit erklärte, ihn aufzunehmen – sie starteten gerade mit einer integrativen Außenklasse –, konnte Paul dort eingeschult werden. Zum zweiten Mal mit Zuckertüte und Familienfest. Die Eltern waren überglücklich und die Grundschulzeit verlief super. Auch der neue Fahrdienst war freundlich und zuverlässig. Soweit es ihm möglich war, erlernte Paul die Kulturtechniken Lesen, Schreiben, Rechnen, er hatte Freunde und eine echte Klassengemeinschaft. Mit dem Ende der Grundschulzeit war erst einmal wieder Schluss mit Normalität. Ist es für Grundschulen inzwischen, wenn auch nicht normal, so doch möglich, Inklusion anzubieten und umzusetzen, fühlen sich weiterführende Schulen „komplett überfordert“, so Karla. „Dabei gibt es nicht nur die für Deutschland verbindliche UN-Behindertenrechtskonvention, sondern auch ausgearbeitete Leitlinien des Schulamtes, wie Inklusion gelingen ter. „Die vier Jahre dort waren für ihn bisher die besten. Er wurde in seinen Bedürfnissen und Fähigkeiten genauso wahrgenommen wie alle Kinder." Statt Inklusion: Ruhig- stellen in der letzten Reihe Die eigentlichen und bis heute anhaltenden Schwierigkeiten begannen mit der Einschulung. „Die Waldorfschule, unsere Wunschschule, traute es sich nicht zu. Sie empfahlen eine Förderung in kleineren Gruppen.“ Die Eltern mussten sich schließlich erst einmal von ihrem Wunsch nach einem inklusiven Schulbeginn verabschieden, Paul würde eine Förderschule besuchen. So der Plan. Aber: „Es ging von Anfang an schief. Unser Sohn war mit sechs anderen Kindern in einer Klasse, die teilweise sehr verhaltensauffällig waren. Paul wurde bedrängt, seine Sachen wurden zerrissen. Und: Er sollte das fehlende Sozialverhalten der anderen kompensieren und fühlte sich dem schutzlos ausgeliefert. Er war ja ein wertschätzendes Miteinander gewohnt und verstand die Welt nicht mehr“, berichtet die fünffache Mutter. Hinzu kam, und das wurde für die Eltern das größte Problem: diese Schule war sehr weit entfernt. Paul musste also jeden Morgen 90 Minuten vor Schulbeginn von einem Fahrdienst abgeholt werden und wurde mittags auch wieder 90 Minuten nach Hause gefahren. „Paul stieg also jeden Morgen im Dunkeln in ein Auto zu einem extrem unfreundlichen und mürrischen Fahrer, der – wie wir später erfuhren – ein Alkoholproblem hatte und der dementsprechend fuhr. Paul konnte sich damals noch nicht so gut ausdrücken. Wir verstanden erst einmal nicht, wo das Problem lag. Aber sobald er morgens in das Auto steigen musste, hat er sich übergeben. Spätestens da hatten wir es verstanden.“ In dieser Zeit bekam Paul zum ersten Mal epileptische Anfälle als Reaktion auf den großen Stress. Die Behinderte Menschen werden in Deutschland immer noch systematisch aussortiert. Obgleich sich Deutschland bereits 2009 der Inklusion verpflichtet hat (UN-Charta-Unterzeichnung), besuchen Kinder mit Beinträchtigung noch immer Förderschulen, um anschließend abgeschottet in Behindertenwerkstätten zu arbeiten mit einer Entlohnung, die weit unter dem Mindestlohn liegt. Eine echte Teilhabe an und in der Gesellschaft findet nicht statt. Selbst wenn der Besuch einer Grundschule dank engagierter Eltern und Lehrer und aufgeschlossener Grundschulen noch gelingt, wird es anschließend schwierig. Wo können sich Jugendliche mit und ohne Behinderung zwanglos und barrierefrei treffen? Und: Wie können die Barrieren in den Köpfen der Menschen sinken, wenn kein gemeinsames Leben gelebt wird? Welche Angebote gibt es für das soziale Leben junger Erwachsener? Deutschland ist noch immer in den Kinderschuhen, was die Inklusion betrifft, und könnte doch schon viel weiter sein. Inklusion darf nicht länger ein Wunschkonzert sein. Eltern und Kinder sollten nicht länger dankbar sein müssen für den Platz in einem inklusiven Kindergarten oder einer „ganz normalen“ Schule. Es sollte endlich normal werden, behindert zu sein. bw Inklusion: Zufall und Glück – Kommentar –

Familienpolitik 20 kann. Mit differenziertem Lernmaterial, mit dafür ausgebildeten Sonderpädagogen und einem Schulamt, das dazu bereit ist.“ Doch statt Inklusion herrsche Überforderung. Paul hatte dann noch mal vier wirklich tolle Jahre, weil er einen engagierten Sonderpädagogen bekam, der Inklusion als ein „Herzensthema“ für sich entdeckt hatte und sich weit über seine Kräfte hinaus für die Schüler mit Beeinträchtigung einsetzte. Die Schule – die Leitung, die anderen Lehrer – nahmen seine Mehrarbeit gern an. Alles wurde diesem einen Pädagogen aufgelastet. Aber so kann das Thema natürlich nicht wachsen. „Alle Lehrer aller Schulen müssten sich bereits im Studium damit beschäftigen“, ist Pauls Vater überzeugt. „Und zwar nicht freiwillig, sondern es müsste ihre Pflicht sein. Damit Inklusion nicht länger ein Wunschkonzert ist. Damit Eltern nicht dankbar sein müssen, wenn ihr Kind inklusiv beschult wird. Damit Lehrkräfte mit behinderten Kindern nicht länger so kommunizieren, als wäre deren Beschulung sinnlos oder zweitrangig, sondern auf Augenhöhe. Und damit sich die Schüler nicht als Fremdkörper wahrnehmen, die – wenn nicht zufällig ein engagierter Lehrer vor Ort ist – als Störfaktor in die letzte Reihe gesetzt und mit dem Tablet ruhiggestellt werden.“ Die Eltern sind überzeugt: „Wenn engagierten Sonderpädagogen wegen mangelnden Rückhalts im Team die Kraft ausgeht, findet keine Inklusion mehr statt und somit auch keine Bildung für die Schüler im inklusiven Bildungsangebot." Viele, viele schlaflose Nächte Es folgten Schulwechsel, zermürbende Streitigkeiten mit Schulleitungen und Institutionen und viele, viele, schlaflose Nächte. Und immer wieder heftige epileptische Anfälle von Paul, wenn es um das Thema Schule ging. „Wie soll eine Zukunft für unseren Sohn aussehen?“, sorgt sich Karla. „Noch ist er in unsere große Familie eingebunden, und deshalb nicht einsam, aber das wird nicht immer so sein. Paul muss eine Zukunft auf dem ersten Arbeitsmarkt haben. Er muss die Möglichkeiten bekommen, einen Beruf nach seinen Interessen und Stärken zu ergreifen und soziale Kontakte zu leben, in der Gesellschaft und für die Gesellschaft zu leben und zu arbeiten … denn das ist sein Recht!“ Inzwischen unterrichtet Karla Paul zuhause. Durch intensive Bemühungen und Kontakte haben ihm die Eltern einen Praktikumsplatz in einem Start-up ermöglichen können, das sich mit Solidarischer Landwirtschaft beschäftigt. Hier blühte Paul auf und fühlt, dass er beiträgt zum Gelingen des Betriebes. Und, wenn „man einen Wunsch an eine gute Fee hätte“, hofft Karla, könnte sich dort für Paul ein echter Arbeitsplatz ergeben. Bisher sieht es gut aus. Die Eltern bekommen positive Rückmeldungen und arbeiten zuhause das nach, was ihm tagsüber begegnet ist. Welches Gemüse er geerntet hat, was man damit kochen kann, woher es stammt. So viele Baustellen. So viele Barrieren stellen sich Eltern mit behinderten Kindern in den Weg. Was könnte sich ändern? Was muss sich ändern? Karla überlegt. „Es muss sich so vieles ändern. Aber nicht nur im Schulsystem, sondern auch in den Köpfen der Menschen: Inklusion muss selbstverständlicher Alltag werden. Wir sind eine vielfältige Gesellschaft und Kinder mit Behinderungen sind ein Teil dieser Vielfalt. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.“ bw // Fotos: Adobe Stock * Aufgrund von Persönlichkeitsrechten haben wir Namen und Orte verändert. Umfassend zum Thema informiert Raul Krauthausen auf seiner Website: raul.de/leben-mit-behinderung. Raul Krauthausen ist als Menschenrechts- und Inklusionsaktivist deutschlandweit bekannt, er schreibt und bloggt auch über das Leben und Arbeiten in Werkstätten für Behinderte. Zum Weiterlesen:

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Familienpolitik 22 Sehr geehrter Herr Schulte-Markwort, in Ihrem neuen Buch geht es um „mutlose Mädchen“. Von diesem Phänomen hatten wir in der Redaktion noch nie gehört. Aber beim zweiten Nachdenken fiel mir ein: Habe ich nicht genau so ein Kind zuhause?! Bisher hatte ich die Zurückgezogenheit und Weltabgewandtheit meiner Tochter auf die Pubertät und Corona geschoben. Wie Sie ja auch schreiben: Die Pubertät erfordert viel Mut. Aber: Wie unterscheiden sich „normale“ Stimmungsschwankungen in der Pubertät und „Mutlosigkeit“? Das ist eine sehr gute und differenzierte Frage, die sich Eltern stellen sollten. Und zwar immer dann, wenn sie Zweifel haben. Es besteht ein großer Unterschied zwischen Mutlosigkeit und Pubertät. Pubertierende Jugendliche sind zwar auch in einer Art Ausnahmezustand, aber sie haben keinen Veränderungsauftrag an uns. Sie wollen nichts ändern. Mutlose Mädchen wollen etwas ändern. Sie wissen aber nicht, wie oder was. Wie erklären Sie sich die Mutlosigkeit der heutigen Mädchen? Der entscheidende Satz dieser Mädchen lautet: Ich will nicht so erschöpft werden wie meine Mutter. Das heißt, die Mütter in ihrer Überarbeitung, ihrer Aufopferung und der Dreiteilung von Berufen sind für diese Mädchen keine Vorbilder. Das ist ein dramatischer Befund, und aus diesem Grund bin ich sehr alarmiert, weil das 70 Jahre emanzipatorische Bewegung aufhebt. Sie schreiben viel über die Mütter, wo bleiben die Väter? Es gibt zwar immer mehr junge Väter, die Teilzeit arbeiten, aber die emotionale Arbeit, die Familienarbeit ist nach wie vor ungleich verteilt. Sie lastet auf den Müttern. Für mich steht dahinter, dass für Frauen und Männer Mutterschaft an sich keinen Wert hat. Mutterschaft ist natürlich in Deutschland ein schwieriger Begriff. Ich würde mir trotzdem wünschen, dass wir dieser existentiellen Dimension unseres Lebens mehr Raum und mehr Wertschätzung entgegenbringen. (Ohne dass ich hier als alter weißer Mann machomäßig Mütter zurück an den Herd bringen will!) Polemisch gefragt: Die Mütter sind also am Zustand der Mädchen schuld? Das Drama ist, Mütter können es gar nicht richtig machen, also auch nicht falsch. Egal, ob sie „nur“ Mutter (da kommt die mangelnde Wertschätzung schon sprachlich heraus) sein möchten oder Karriere machen. Beides ist in den Augen der Gesellschaft falsch. Bleibt sie als Mutter zu Hause, muss sie in Kauf nehmen, dass das entwertet wird und sie nicht ernst genommen wird, weil das alles nicht zählt. Wenn sie eine Bedeutung haben will, muss sie arbeiten. Aber in den meisten Fällen müssen, rein finanziell, beide Eltern arbeiten … Das heißt aber nicht, dass sich das beide freiwillig ausgesucht haben. Ich glaube, wir brauchen eine gesellschaftliche Diskussion darüber, wie Familie aussehen soll. Wie soll sich die Arbeit für Familie öffnen? Wie kann sich die Arbeit in die Familie integrieren und umgekehrt? Hier stehen wir erst ganz am Anfang. „Die Pubertät erfordert besonders viel Mut“ Bitte erklären Sie uns Ihre These: „Diese Mädchen wissen nicht, wie sie in die Welt kommen sollen“. Sie bedeutet, dass Mädchen ratlos vor einem sitzen und sagen: „Da draußen lockt mich nichts. Ich weiß nichts. Ich weiß nicht, wie es geht, Freunde zu finden, und ich weiß auch gar nicht, ob ich Freunde möchte. Das ist alles viel zu anstrengend für mich." Diese Haltung ist ein Kennzeichen extremer Ratlosigkeit, die sich schnell auf die Behandler und Therapeuten überträgt. Nicht so erschöpft werden wieMama Prof. Dr. Michael Schulte-Markwort ist ein deutscher Kinder- und Jugendpsychiater und Universitätsprofessor. Der Autor zahlreicher Sachbücher ist besonders bekannt für seine Arbeiten zur Erschöpfungsdepression (Burnout-Syndrom) bei Kindern und Jugendlichen. Als wissenschaftlicher Leiter begleitete Schulte-Markwort zudem den Aufbau der Fachklinik Marzipanfabrik in Hamburg- Bahrenfeld. Foto: Nina Grützmacher Zur Person

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