Meine beste Freundin, ihre Tochter und ich

Während ich noch das Handy zurechtrücke und die Kopfhörer suchen muss, ist Paulina schon längst startklar. Sie hat den Dreh raus und mit einem Wisch auf Mamas Handy hat sie den Videoanruf auch schon angenommen. „Hallooooo“, sagt sie mit einem großen Lächeln in die Kamera. Neben ihr türmen sich die Arbeitsblätter und Buntstifte, denn für die Zweitklässlerin stehen gerade Hausaufgaben an. Da kann so ein Videoanruf schon mal als willkommene Abwechslung dienen …

Paulina: „Schau mal, das ist mein Füller.“

„Darauf hat sie sich schon lange gefreut und jetzt kann sie ihn endlich benutzen“, schaltet sich Tina in das Gespräch ein und rückt für einen kurzen Moment das Handy in ihre Richtung. Doch kurz darauf lächelt Pauli wieder in die Kamera.

Ich: „Und wie schreibt der Füller so?“

Paulina (stolz): „Sehr gut. Ich habe Schreibschrift gelernt und bin im Buch schon auf Seite 36.“

Ich nicke anerkennend und lache ihr durch die Handykamera zu, denn Seite 36 hört sich schon mal richtig gut an.

Seit unserem letzten Besuch im Dezember des vergangenen Jahres hat sich einiges getan, gefühlt ist nichts mehr so wie es einmal war. Das merken natürlich auch Tina und ihre Familie.

Ich: „An die Pandemie und Regeln hat man sich mittlerweile gewöhnt, aber wie erklärst du deinen Kindern, was gerade weltpolitisch passiert?“

Tina: „Ich habe Paulina versucht zu erklären, dass es Länder gibt, die sich nicht gut verstehen und dass es dann zu Streit kommt … Sie und ihre Schwester haben aber auch mitbekommen, was die Situation noch alles ausgelöst hat. Ich habe beispielsweise Spenden in der Nachbarschaft eingesammelt und an eine der Abgabestellen in der Region gebracht. Ich habe meinen Kindern erklärt, dass das eine Möglichkeit ist, den Menschen zu helfen.“

Und auch in der Schule kann das Thema Krieg nicht ausgeklammert werden und es wird versucht, den Kindern zu erklären, was gerade geschieht. „Die kämpfen“, sagt Pauli, schnappt sich einen Buntstift und zeichnet.

Bei all den Veränderungen ist es doch schön zu sehen, dass in dem Zuhause der kleinen Familie Beständigkeit herrscht. Denn beispielsweise die drei Landschildkröten Pinky, Paula und Cooper, die im letzten Jahr bei der Familie eingezogen sind, sind geblieben. Sie fühlen sich in ihrem Gehege im Wohnzimmer noch immer pudelwohl und werden von Paulina und ihrer kleinen Schwester Luisa liebevoll umsorgt. So sorgen die beiden für Streicheleinheiten, ausreichend Ruhepausen und immer frisches Essen für ihre tierischen Mitbewohner.

Tina: „Sobald es nachts wärmer wird, kommen sie raus in ihr Gehege, dass wir extra für sie gebaut haben. Aber bis es soweit ist, bleiben sie noch drin bei uns.“

Das Jahr startete für die Familie anders als geplant. Nämlich in pandemiebedingter Quarantäne.

Paulina: „Erst hatte es Luisa, dann Mama, ich und Papa dann auch …“ (sie zuckt mit den Schultern).

Aber nun sind alle wieder fit und definitiv bereit für den Frühling. Und da kann man schon mal an Urlaub denken. „Wenn alles klappt, geht es in diesem Jahr in die Sonne“, sagt Tina. Und Pauli schaut voller Vorfreude zu ihrer Mama, die ihr mit einem Blick und dem Finger auf dem Aufgabenheft zu verstehen gibt, dass bis dahin noch ein paar Hausaufgaben erledigt werden wollen … Na gut.

Das Gute ist, nur wenn die Ferien enden, können die nächsten kommen. So hofft Pauli an Ostern auf ebenso schöne Erlebnisse wie in den Faschingsferien. „Da hatten wir Mama-Tochter-Tage. Das war toll“, sagt Pauli und rückt das Handy ihrer Mama zurecht. „Für ein eigenes bin ich noch zu klein, sagt Mama“, betont Pauli, was sie aber nicht weiter zu stören scheint. Denn Mamas Handy reicht vollkommen aus, wenn es darum geht, Sprachnachrichten und Fotos an Freunde und Familie zu verschicken. Auch ich gehöre bald zu ihren Adressaten, verspricht sie mir und zwinkert mir durch die Kamera zu. „Jetzt rechnen wir noch ein bisschen“, sagt Tina und beide winken in die Kamera.

Der Zufall möchte es, sodass wir, Pauli und ich, uns an diesem Tag ein zweites Mal sprechen – und das ganz ohne Handykamera, sondern analog auf der Straße, als sie mit Papa Markus im Auto an der Fußgängerampel zum Stehen kommt, an der ich gerade auf das grüne Zeichen warte.

Paulina (ruft aus dem geöffneten Autofenster): „Hallooooo Anki, schau mal, was ich hier habe!“

Sie streckt ein glitzerndes Buch in die Höhe.

Paulina (strahlt): „Das ist ein Freundebuch!“

Sie nickt mir zustimmend zu, dass ich mich irgendwann auch darin eintragen darf – so wie ich es einst vor vielen Jahren in dem Freundebuch ihrer Mama getan habe. Bei all den Veränderungen, die uns umgeben, ist es schön zu sehen, dass sich manches nie ändert.

Von Ann-Kathrin Weber

Die Autorin:

Redakteurin Ann-Kathrin Weber besucht für StatdLandKind regelmäßig Paulinas Familie und berichtet über Neuigkeiten, Lieblingsfächer und alles, was im Leben von Paulina eine Rolle spielt. Die nächste Folge von „Paulinas Tagebuch“ erscheint am 15. Juni 2022.  

 

 

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