StadtLandKind. | Ausgabe 1/2022

Familienleben 13 Babypuder beim Wickeln zu verwenden. Heimlich kaufte sie Babypuder und brachte es zum Babysitten mit. Ich war sehr wütend über diesen Vertrauensbruch, aber heute denke ich, naja, das bisschen Puder hätte wahrscheinlich auch nicht geschadet. Heute würde ich mir auch wünschen, dass die Kinder ein eigenes und herzlicheres Verhältnis zu ihrer Oma hätten … Also: Eigentlich ist das Buch nicht nur ein Ratgeber für Großmütter, sondern auch eins für Eltern, oder? Ja genau, zusammen mit meiner Co-Autorin Carina Manutscheri reflektierten wir immer wieder die Mehrgenerationensicht. Verständnis und Würdigung für jedes Familienmitglied hilft Probleme und Konflikte so zu lösen, dass es allen besser geht, und davon profitieren die Kinder. Wie kam Ihnen die Idee zu dem Buch? Es war die Idee von Carina; sie hatte bemerkt, dass es jede Menge Elternratgeber gibt, aber wenige für Großeltern. Als Familientherapeutin und begeisterte Oma habe ich diese Idee aufgegriffen, und Carina hat mit ihrer Eltern-Perspektive und ihrem Autorinnen-Know-how geholfen die Idee in die Tat umzusetzen. Eltern haben eigene Vorstelllungen davon, wie sich die Großeltern einbringen sollen. Das kann zu Missverständnissen führen. Welche Konflikte konnten Sie in ihrer Arbeit mit Familien am häufigsten beobachten? In unserem Buch wollen wir allen Beteiligten näherbringen, dass andere Menschen nie oder selten unseren Vorstellungen entsprechen. So können wir lernen, die uns nächsten Menschen vorbehaltlos anzunehmen, sie werden uns immer erfreuen und enttäuschen, sie werden manchmal tun, wie wir es wollen, aber öfters, wie wir es nicht machen würden. Jede Generation hat eigene Ideen, wie das Leben gut zu leben ist. Konflikte lösen heißt in erster Linie, richtig zuzuhören. Ich helfe meinen Klienten zuerst einmal, die eigenen Bedürfnisse gut wahrzunehmen, und dann auch die Bedürfnisse, Wünsche und Vorstellungen der anderen zu hören. Sie schreiben: „Das Geben von einer Generation an die nächste ist die einzige Beziehung, die keinen Ausgleich braucht.“ Das sehen viele Großeltern aber ganz anders … Ja, leider. Ich erlebe es auch oft, dass Menschen, Frauen wie Männer, meiner Generation sagen: Wir haben doch so viel für dich getan, jetzt muss es zurückkommen! Aber das ist ein großer Irrtum, unsere Kinder gehen ins Leben und alles, was sie von uns empfangen haben, geben sie an die nächste Generation weiter, die Energie fließt immer zum schwächsten Glied. Wenn wir das verstanden haben, kriegen wir unendlich viel zurück – zu geben ohne Erwartungen macht glücklich. Wenn ich allerdings meinen Kindern und Enkelkindern gebe und gleichzeitig erwarte, dass etwas zurückkommt, auf Eigenes verzichte in der Erwartung, dass die nächste Generation ausgleicht, werde ich enttäuscht. Ich möchte allen Eltern und Großeltern sagen: tu für die nächste Generation mit Freude, oder tu es nicht. Ein Kapitel heißt: „Schluss mit der Männerschonung“ – was können wir uns darunter vorstellen? 2000 Jahre Patriachat haben Spuren hinterlassen. In den meisten Familien übernehmen nach wie vor die Frauen die meiste Care-Arbeit. Vieles hat sich verbessert und wenn ich meinen eigenen Sohn anschaue, wie er mit seinen kleinen Kindern umgeht, wie er seinen vier Wochen alten Sohn versorgt, denke ich, vieles ist gelungen. Ich erlebe aber auch, dass Männer, die Care-Arbeit leisten viel Anerkennung und Lob erhalten, während es bei uns Frauen einfach selbstverständlich ist, dass wir nach wie vor den Löwenanteil bewältigen. Da einen Ausgleich zu schaffen ist mein Anliegen, Care-Arbeit ist wundervoll, anstrengend und manchmal einfach zum Verzweifeln. Würdigung für Frauen und Männern, und das Einfordern von gerechter Arbeitsverteilung ist das Anliegen in diesem Kapitel, auch Opas sind da gefordert. Die Grundlage der Beziehung geht von der älteren Generation aus. Ganz schön kompliziert: einerseits sollen Großeltern die Basis aufbauen, sich aber dann mit Ratschlägen zurückhalten? Ja genau, die Basis ist Liebe, Respekt, Vertrauen, Zuhören und niemals konkrete Ratschläge, die nicht erbeten sind. „Oma werden, Oma sein“ Beltz Verlag 2021, 20,00 Euro Die einzige Antwort auf die Frage nach einer Gegenleistung für ge- leistete Unterstützung der Eltern an Kinder oder Enkelkinder ist: nichts.

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