StadtLandKind. | Ausgabe 1/2022

Familienpolitik Sehr geehrte Frau Ministerin Spiegel, unser Thema lautet „Kinderarmut“. Der besseren Lesbarkeit geschuldet, bleiben wir bei dem Begriff arm, der sich in diesem Zusammenhang natürlich nur auf die ökonomischen Bedingungen eines Menschen bezieht. Sie planen die Grundsicherung für Kinder. Wie genau wird sie aussehen und wann kommt sie? Werden mit Inkrafttreten die bisherigen kinderbezogenen Transferleistungen (Kindergeld, Unterhaltsvorschuss…) wegfallen? Das Thema ist mir sehr wichtig, deshalb freue ich mich, dass die Einführung der Kindergrundsicherung im Koalitionsvertrag festgeschrieben wurde. In Deutschland gibt es viele Kinder und Jugendliche, die Unterstützung brauchen, und die wollen wir mit der Kindergrundsicherung erreichen. Dafür werden wir Leistungen wie das Kindergeld, den Kinderzuschlag und das Sozialgeld für Kinder erwerbsloser Eltern bündeln, automatisiert berechnen und auch auszahlen. Das ist ambitioniert und komplex, und – das muss ich ehrlicherweise sagen – das wird etwas dauern. Wir wollen aber von Armut betroffenen Kindern gleichzeitig rasch helfen und werden deshalb so schnell wie möglich einen Sofortzuschlag einführen. Wird sich die Grundsicherung am Einkommen der Eltern orientieren? Planen Sie eine sanktionsfreie Unterstützung? Oder sind, abgesehen von der Bedürftigkeit, Bedingungen an den Erhalt gebunden? Die Kindergrundsicherung soll aus zwei Komponenten bestehen: einem einkommensunabhängigen Garantiebetrag, der für alle Kinder und Jugendliche gleich hoch ist, und einem gestaffelten Zusatzbetrag, der vom Einkommen der Eltern abhängt. Die Details dazu werden in einer ressortübergreifenden Arbeitsgruppe festgelegt. 13,8 Prozent aller Kinder bundesweit beziehen Grundsicherung (SGB II/Hartz IV/Stand 2020). Das ist eine alarmierende Zahl. Was verbirgt sich dahinter? Und wie lässt sich dieses ungelöste strukturelle Problem angehen? Entscheidend für das Armutsrisiko von Kindern sind oft Bildung und Erwerbsbeteiligung der Eltern. Ein fehlender oder niedriger Bildungsabschluss, Arbeitslosigkeit, geringfügige oder gar keine Beschäftigung, alleinerziehend zu sein – das sind die häufigsten Gründe für Einkommensarmut von Familien. Entscheidend ist also, dass die Eltern ein ausreichendes Einkommen für sich und ihre Kinder erwirtschaften können. Voraussetzung dafür ist unter anderem eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Deshalb müssen wir auch den Ausbau der KinderbeKinderarmut gilt als eine der größten gesellschaftlichen Herausforderungen in Deutschland. Mehr als jedes fünfte Kind wächst in Deutschland in Armut auf, also rund 2,8 Millionen Kinder und Jugendliche unter 18 Jahren. 30 Prozent der Menschen, die auf die Lebensmittel einer „Tafel“ angewiesen sind, sind Kinder und Jugendliche. Wer arm ist, kann sich nicht nur nicht das leisten, was andere vielleicht besitzen, sondern kann auch nicht so viel leisten wie andere. Denn Armut begrenzt ein Kinderleben, Armut beschämt und bestimmt den Alltag. Schon lange, aber seit der Corona-Pandemie umso drängender, werden neue sozial- und familienpolitische Konzepte gefordert. 18 Bundesfamilienministerin Anne Spiegel im Interview Anne Spiegel ist seit Dezember 2021 Bundesministerin für Familie, Senioren, Frauen und Jugend. Anne Spiegel wurde am 15. Dezember 1980 in Leimen geboren, sie ist verheiratet und hat vier Kinder. Nach dem Abitur in Ludwigshafen am Rhein und dem Studium der Politik, Philosophie und Psychologie in Mannheim, Darmstadt, Salamanca (Spanien) und Mainz hatte die jetzige Familienministerin für die Partei Die Grünen verschiedene Leitungsfunktionen im Landtag von Rheinland inne. Anne Spiegel Chancengleichheit beginnt nicht Schule erst in der

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