Gegen Kinder-Mitspracherecht in Sachen Rotz, Wurst und Glitzerschuhen

Mitspracherecht

Wenn Du Dein Kind entscheiden lässt, welche Schuhe es tragen will, dann bist du selber schuld.

Französische Kinder sind besser erzogen als Deutsche? Glaub ich nicht. Französische Eltern sind schlicht entschlussfreudiger.
Warum unsere Kinder sich oft so saumäßig danebenbenehmen,  hat nämlich nur einen einzigen Grund:

Wir fragen sie zu viel!

Meine Tochter fing mit 14 Monaten an, auf eigenen Beinen zu stehen. Also gingen wir Schuhe kaufen.

Erster schlimmer, gravierender Fehler meinerseits: Ich fragte sie, welche Schuhe sie gerne hätte.

Zweiter hypergigantischer Mega-Fehler mit fataler Folgewirkung: Ich erkannte zwar innerhalb von Sekunden, dass das keine gute Frage war, hatte aber derartige Angst vor dem Wutausbruch dieses kleinen Wesens im öffentlichen Raum Schuhgeschäft (ausgerechnet!), dass ich bei der letzten Gelegenheit, in der ich das Ruder noch einmal hätte rumreißen können, komplett versagt habe.
Sie trägt  seitdem Glitzer-Flipflops in Pink mit Blümchen. Immer ab Ende Februar und das seit fünf Jahren. Wenn‘s mal  kühler ist, auch gerne mit Socken. Ich habe die Hoffnung, dass ihr irgendwann jemand sagt, wie unglaublich dämlich das aussieht. Ab November werden dann Ballerinas (ausschließlich Lack oder Glitzer oder beides) als geschlossene Schuhe akzeptiert.
Das Kind hat trotzdem laufen und ich habe meine Lektion gelernt:

Es gibt Entscheidungen, die sollte man Kinder nicht selber treffen lassen, trotzdem tun das deutsche Mütter. Ständig. Überall.

Auf dem Spielplatz: „Joshi, soll Dir die Mama mal eine frische Windel machen?“

Das Kind riecht streng und läuft an der Seite aus, was  durch die beigefarbene Cargohose schon gut sichtbar ist. Was also soll die blöde Frage?

In der Straßenbahn: „Paulina, Duhu, soll ich Dir mal eben die Nase putzen?“

Hättest Du es, statt zu fragen, schon getan, dann hätte Paulina den Rotz nicht zuerst an den Handrücken, dann quer über die Wange bis in die Haare und den Rest ans Straßenbahnpolster geschmiert.

In der Stadt: „Du Amelie-Schatz, magst Du lieber ein Eis oder eine Brezel?“

Amelie-Schatz (geschätzt 2 Jahre) wollte –  bis sie von Mami gefragt wurde –  gar nichts. Sie war restlos glücklich damit, Tauben quer durch die Fußgängerzone zu jagen. Jetzt will sie Eis UND Brezel. Das teilt Amelie-Schatz auch mit. Sehr laut. Allen.

Daheim vor dem Kleiderschrank: „Emma, magst Du lieber einen Rock oder eine Leggins anziehen?“

Fail! Du bist eine Frau, Du bist nicht in der Lage vor deinem eigenen Kleiderschrank eine zügige Entscheidung zu treffen. Natürlich wird sich die Tochter nach zähen zehn Minuten Überlegen und heftigem Schrankwühlen für das Prinzessinnenkleid vom Fasching vor zwei Jahren entscheiden, aus dem sie vor einem Jahr rausgewachsen ist. Und Du kommst zu spät zur Arbeit.

Im Zoo: „Du Paul, magst Du dem Friedrich auch was von dem Entenfutter abgeben?“

Äh, nö!

Beim Spaziergang: „Leni-Maus, magst Du lieber in den Kinderwagen oder auf deinem Laufrad fahren?“

Leni-Maus, bis eben noch glücklich zu Fuß unterwegs, mag spontan auf den Arm. MIT dem Laufrad.

Samstagsvormittags in der langen Warteschlange an der Wursttheke im Supermarkt: „Sören, magst Du lieber die Lyoner mit den Paprikastückchen drin oder die normale Fleischwurst?“

Logisch, dass Sören die Wurstsorten erst mal genau betrachten muss, um eine differenzierte Entscheidung treffen zu können. Und es dauert halt auch eine Weile, bis sich das Kind aus dem lustig-bunten Einkaufswagen in Rennwagen-Form abgeschnallt hat. Klar, ginge das schneller, wenn Mutti helfen würde, aber er mag es doch so gerne alleine versuchen. Das hat die Mami ihn vorher extra gefragt. Kann’is son!

Und wir alle wissen ja, wie gemein das weh tun kann, wenn man sich die Finger in diesen Anschnallschnappern (siehe auch Fahrradhelmverschluss)  klemmt. Das tut bei so einem zarten Kinderzeigefinger natürlich noch viiiiiel mehr weh und die Frustrationstoleranz ist da eben nicht sehr groß und das verstehen all die anderen 25 Menschen an der Theke, die auch gerne Fleischwurst hätten. Und dann muss die Mami halt auch erst mal trösten und das Kind mag dann spontan sowieso gar keine Wurst mehr sondern nach Hause.

Also muss die Mami doch selber entscheiden, was sie für Wurst kauft. Und das mit einem brüllenden Kind auf dem Arm, das unter gar keinen Umständen mehr in den bösen Rennauto-Einkaufswagen zurückwill, weil der schnappt.

Nein! Nicht mit mir, da bin ich sehr französisch. Ich habe meine Lektion gelernt. Gründlich. Schon vor Jahren.

Und dass ich heute Morgen ganz unvorsichtig meine Kinder gefragt habe, ob sie heute Mittag lieber Maultaschen oder lieber Schupfnudeln essen wollen, das war nur ein klitzekleiner Rückfall.

Ehrlich!
BRIGITTE MOM BLOGS

7. April 2014

5 Kommentare

Ja, Ja, Ja!!!!!!!!
Ich bin so eine absolut unmoderne Mutter die nicht fragt, sondern sagt und zwar richtige Ansagen, zur Not auch LAUT!!! und wenn dann Fragen kommen warum kommt die Erklärung „Weil ICH es sage!“
Wenn es nicht funktioniert zähle ich an und ich bin heilfroh, nie bis 3 zu kommen und mir dann was aus den Fingern saugen zu müssen. Meine Große ist der festen Überzeugung, Mama hat immer was in petto 🙂
Okay, funktioniert auch nicht wirklich immer, aber es führte schon dazu, dass fremde Kinder erschrocken ausriefen „Oh Gott, sie zählt!“

Also eines vorneweg, ohne meine Frau hätte ich unsere beiden Kinder nicht erzogen und die Erziehung geht ja auch noch weiter 🙂 Beide sind im Grundschulalter. Ich konnte es leider nie so gut zusammenfassen, wie es in Eurem Artikel beschrieben ist, aber ja, ich hatte das eine oder andere Mal genau diese Gedanken: „was soll diese blöde Fragerei“. Kinder sind damit echt überfordert. Es ist doch im ganzen Leben immer wieder so, dass man feststellt, dass man nicht bei „Wünsch-Dir-Was“ ist, sondern bei „So isses!“. In der Odenwaldhölle gibt es dafür ein ganz simples Sprichwort: „Wer lang fragt, geht lang irr“.
Und mal ehrlich, wer von Euch war schon mal bei Subway… man hat das Gefühl die blöde Fragerei nimmt gar kein Ende. Und man hat doch nur Hunger! Es kann aber auch sein, dass genau solche, heute erwachsenen Kinder, die mit dieser sinnlosen Fragerei „groß“ wurden, niemals in ein Subway gehen würden, denn da müssten sie sich ja entscheiden…
Also zurück zum Thema: ich würde mir wünschen, dass gaaanz viele Mamas (und Papas) diesen Artikel noch vor der Geburt Ihrer Kinder zum Lesen bekommen, denn dort steht ganz viel Wahrheit drin.
Danke! Ich habe mich auch schon erwischt, bei dieser „nichts-bringenden“ Fragerei. Jetzt achte ich wieder mehr darauf :-)))

Danke – beruhigt mich ungemein, dass nicht nur ich als kinderlose Zeitgenossin diese Mütter-Fragerei unerträglich finde, sondern auch Eltern (zumindest teilweise) erkennen, dass man den Kleinen damit so gar keinen Gefallen tut. Echt aus dem Leben, Euer Blog. Weiter so! Ich habe den Kindern in meinem Umfeld schon oft klare Ansagen gegeben – laut und eindeutig. Resultat: klappt hervorragend! Und: sie wollen mich weiterhin gerne besuchen!

Merkwürdiger Artikel, den ich überhaupt nicht bestätigen kann.

Ich finde es wichtig, auch kleine Kinder schon mit einzubeziehen und nicht über ihren Kopf hinweg zu entscheiden, wenn es sie betrifft. Das empfinde ich als grenzüberschreitend.

Und bei uns klappt das gut. Situationen wie die oben beschriebenen sind mir vollkommen fremd, sowas gibt es bei uns gar nicht.

Wenn ich meine Tochter frage, was sie lieber essen möchte – a oder b – dann sucht sie sich eins aus und fertig. Noch niemals wollte sie dann beide Möglichkeiten.

Wundervoller (und überhaupt nicht merkwürdiger) Artikel, ich freu mich auf mehr! Und nach meiner (beschränkten) Erfahrung sind Kleinkinder überfordert von den meisten Entscheidungssituationen, vor die sie heute leider durch uns gestellt werden. Sonnige Grüße!

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