„Neeeiiin! Du darfst nicht aus meinem Fenster schauen!“

Fenster

 

Liebe S.,

gestern wurde ich auf dem Spielplatz angesprochen. „Bist Du nicht die Liebeb? Hä? Ach so, ja, na klar. Liebe B. …

Nun traue ich mich aber heute nicht, über das gestern Erlebte auf eben diesem Spielplatz zu bloggen. Ich will da ja noch mal hin … nur so viel: es war absurd!

Fast so absurd wie die Streitereien meiner Kinder.

Ist das bei euch auch so schlimm?

Als meine Tochter circa drei  Jahre alt war, hätte ich fast einen üblen  Autounfall verursacht. Nichts Böses ahnend genoss ich die Ruhe vom Rücksitz, als mir ein lauter Schrei durch die Glieder fuhr.

„Neeeeiiiiiiiiin“, schrie meine Tochter so laut sie konnte. „Du darfst nicht aus meinem Fenster schauen“.

Wie bitte? Die Blickrichtung als Privatbesitz?  Das hatte ich ja noch nie gehört.

Trotz vieler sinnvoller und sinnfreier Erklärungs-  und Schlichtungsversuche, sie blieb dabei.

Natürlich durfte sie ab da auch nicht mehr „aus seinem“ Fenster schauen. Und das geht bis heute so. Wenn alle anderen Themen schon erschöpfend gestritten sind, dann wird auf der Rückbank gebrüllt: „Der/die guckt schon wieder aus meinem Fenster!“.

Und das führt dann unweigerlich zum Klassiker, weiter reduziert und auf den Punkt gebracht: „DER/DIE GUCKT“.

Wie bitte? Ja, natürlich guckt er/sie. Zum Glück, denke ich. Außerdem, wie geht der Satz eigentlich weiter? „Der guckt mich an? (und soll es nicht?) Oder: „Der/die guckt böse/traurig/so richtig arschig?“

Auch auch dieser absurde „Gerechtigkeitsanspruch“ nervt immer mehr:

„Ich will jetzt aber das“ (das könnte alles sein, von Eis, über die Tüte Gummibärchen bis hin zu dem Kuscheltier im Schaufenster für 80.- Euro) „weil damals (wann war das bitte?) hat er/sie doch den einen Rest von dem kaputten Paketband bekommen, das Du eigentlich schon in den Abfalleimer geschmissen hattest! Und das was gemein!“

Ich könnte einen mittleren Krieg auslösen, einfach dadurch, dass ich beim Spazierengehen eine Sache vom Boden aufhebe (wobei Sache etwas Hübsches sein kann wie ein Schneckenhaus oder ein Tannenzapfen, oder aber  einfach auch nur MÜLL) und es dem einen Kind in die Hand drücke.

In eine Prügelei artete folgender Dialog aus:

Tochter:  „Mama, ich habe dich so lieb. Ich will wieder in deinen Bauch!“

Sohn (sofort): „Nein, da will ich schon rein, für uns beide ist nicht genug Platz!“

Tochter: „Ich hatte die Idee aber zuerst!“

Sohn: „Egal. du warst doch viel länger drin, du bist doch drei Jahre später erst rausgekommen!“

Tochter: „Mamaaaaaaaaaaaaa!“

Ich bin mir ganz sicher, dass mein Sohn nur aus purer Eifersucht damit begonnen hat, kleine pinke Ponys zu sammeln und meine Tochter sich aus dem gleichen Grund vom Osterhasen „etwas gaaaanz Grooooßes von Lego“ gewünscht hat. Ich bringe die beiden inzwischen prinzipiell nur noch zusammen ins Bett. Der Kampf um die Minuten, die ich angeblich länger beim anderen war, hat meine Nerven zu sehr strapaziert. Wo und wie die beiden deshalb jetzt schlafen, ist ein anderes Thema (Habe ich dir übrigens von der Mutter erzählt, die mich auf eben jenem Spielplatz mit der These konfrontierte: „Ist doch klar, dass dein Kind noch nicht alleine schläft, Du gibt’s ihm ja auch Kuhmilch!“ ?  … aber dazu bald mehr)

Übrigens: Sämtliche mir bekannte Erziehungsratgeber sind einer Meinung:

Wer mal ein Teamplayer werden will muss üben, Konflikte auszutragen. (Ja, gern. Aber geht das auch leiser?)

Und Studien ergaben, dass Streitereien um Gerechtigkeitsfragen zwischen Geschwistern diesen nicht schaden.

Schön zu hören. Aber mir schadet es!

Welches Elternteil kann dieses permanente Gekreische, Genörgel und Gestichel aushalten, ohne Schaden zu nehmen?

Bei uns werden auf dem Geburtstagstisch die Geschenke gezählt („Zählt die Deko als Geschenk oder ist die dann bei mir auch auf den Tisch?“) genauso wie die die Küsse, die Umarmungen, die Zeit. Das ist doch nicht normal, dachte ich. Neulich war mein Bruder zu Besuch bei uns. Jünger als ich. In meiner Erinnerung hatten wir als Kinder nie richtig Streit. Es hat zwar genervt, dass er immer bei meinen Freundinnen auf dem Schoß sitzen wollte. Aber sonst…  Ich hätte das vor ihm und den Kindern besser nicht erwähnt. Anscheinend habe ich massive Gedächtnislücken. Denn angeblich erholt er sich immer noch.

Übrigens: lange Zeit wollte mein Sohn unbedingt noch mehr Geschwister. Oder einen Hund. Oder eine Katze. In der Reihenfolge. Als ich meinte: „Es kann aber auch noch eine Schwester werden“, rangierte plötzlich der Hund an erster Stelle. Und dann die Katze …

Bis bald!

Deine …

20. Mai 2014