„Warte mal ab…“

Kaktus

Ich mag kreative Kinder, wirklich. Aber ich mag es nicht, wenn sie mit meiner Wimperntusche kreativ sind.

Liebe B.,

war das nicht eben erst? Quasi gestern? Als ich zombimäßig übermüdet mit einem Kind an der Brust und dem brüllenden anderen an der Hand, nebst Laufrad in einer weiteren Hand durch einen Schneesturm vom Spielplatz gewankt bin?

Es ist doch erst einen Wimperschlag her, dass ich die Wärmelampe über dem Wickeltisch montiert, Windeln gewechselt, Wimmelbücher angeschaut, mit Rasseln gewedelt habe.

Es war doch auch gerade erst, als ich die Mütter mit älteren Kindern kopfschütteln belächelt habe. Jene Müttern, denen ich was von ich-bin-so-müde-das-ist-alles-so-anstrengend hinjammerte.  Jenen Mütter, die mich dannn immer so wissend anschauten und sagten: „Warte mal ab…..“

So ein „Warte-mal-ab“, das am Ende mit vielen Punkten ausklingt. Ich hätte gewarnt sein müssen. Es war das selbe „Warte-mal-ab…“, das ich vor der Geburt meines ersten Kindes von Müttern gehört hatte. Immer dann, wenn ich damit protzte, dass ich unter gar keinen Umständen ein Schmerzmittel unter der Geburt brauchen würde. Oder gar eine PDA. Man könne sich ja mal zu sammenreißen. Ich sowieso.

Hinterher ist man immer schlauer.

Aber  was zum Teufel sollte anstrenger sein, als die 24-Stunden-Rundumbetreuung zweier Kleinkinder an sieben Tagen die Woche, 356 Tage im Jahr. Einem Jahr, das merkwürdigerweise viel länger war, als alle anderen Jahre es je zuvor gewesen sind.

Heute ist „Warte-mal-ab“ plötzlich da.

Und ich gestehe: Eine halbe Stunde mit meinen beiden Kindern, von denen eines gerade schon mal kräftig für die Pubertät übt, kostet mich manchmal mehr Nerven als ein 24-Stunden-Kleinkindtag.

Ich dachte, das Gebrüll würde nachlassen.
Fehlanzeige: Es ist lauter geworden und es kommen sehr hässliche Ausdrücke darin vor.
Ich dachte, nichts kann nerviger als ein Kleinkind sein, das Küchenschubladen und Bücherregale ausräumt.
Von wegen:  Mit größeren Kindern ist an jedem Platz im Haus ununterbrochen Chaos. Nichts liegt an seinem Platz, sie reißen sich alles unter den Nagel und verschleppen es in einem schwarzen Loch, called Kinderzimmer. Und dann brauchen sie plötzlich eine Schere, abends um halb zehn und WEHE, ich weiß dann nicht, wo sie ist. Dann ist der Teufel los!
Ich dachte, wenn sie älter sind, würde ich wieder ausreichend viel Schlaf bekommen, weil sie nachts nicht mehr wach werden.
Irrtum: Ich hatte in meiner Planung vergessen, dass ältere  Kinder  ja auch viiiiiiiiel später schlafen gehen, ich egro auch viiiiiiiel später schlafen gehe, dafür aber viiiiiiiel früher aufstehe, weil da dummerweise noch Schule und Arbeit und solche Nebensächlichkeiten sind.

Ich dachte, wenn sie älter sind, kann man vernünftig mit ihnen reden.
Ich dachte, wenn sie älter sind, würden sie sich nicht mehr gegenseitig hauen.
Ich glaube, zu diesen beiden Punkten muss ich nichts sagen…

Vor ein paar Tagen sprach ich mit einer Mutter, deren beiden Kinder vor einigen Monaten daheim ausgezogen sind. Ich hatte gerade eine verschimmelte Birne aus einer Legokiste entsorgt, meine Kinder angebrüllt  und  war eine halbe Stunde zuvor auf dem Kinderzimmerteppich in zwei Reißnägel getreten. Die nagelneue Wimperntusche, mit der irgendein Kind dem Kaktus Augen gemalt hat, war leider trotz perforiertem Fußballen  nicht mehr zu retten.  Dabei hatte ich sie extra gekauft, um mit meinen seidenlangen Super-XXL-Doppelt-Maximum-Power-Boost-Wimpern geschickt von den dunklen Schatten unter den Schlafmangel-Augen abzulenken.

ICH (jubilierend): „Ausziehen! Was für ein herrlicher Gedanke, dann hast Du ja jetzt ganz viel Zeit für Dich!!!!“

SIE (bedeutungsvoll):  „Warte  mal ab….“

Pffffff…..keine Ahnung hat die.

 

(Aber zum Glück ist  DIESES  “ Warte-mal-ab“ noch ganz, ganz lange hin.)

17. September 2015