Käfer kann man auch mit Glitzerflipflops zerquetschen

Starwars

Klonkrieger im Sandkasten. Kriegspielen ja – aber bitte ganz friedlich.

MEINE LIEBE,

sicherlich steckt das Prügeln und Schießen fast jedem kleinen Jungen in der Wäsche. Aber letztendlich sind unsere Kinder derartig domestiziert, dass man sich wundert, wenn  Mütter nicht Schaumstoff um die im Wald gefundenen Stöcke wickeln, damit auch ja niemand einen oberflächlichen Kratzer abbekommt. Vor allem das eigene Kind darf natürlich keinesfalls kaputt gehen.

Vielleicht ist es auch sicherer gar nicht erst in den Wald zu gehen… da lauern so viele Gefahren in der Wildnis. Denk nur an die Abgründe, Steine, böse Blätter und ZECKEN.

Ich schweife ab. Wenn Jungs mit Stöcken prügeln, dann haben Eltern heute auf jeden Fall alles falsch gemacht. Dass sechsjährige Mädchen mit einem gezielten und kraftvoll ausgeführten Schlag mit der Baby-Born-Puppe erhebliche Verletzungen im Gesicht ihres Bruders schaffen können – ja, DAS war nur ein Versehen.

Aber wenn ER ihr – lädiert, zerbeult und stinkwütend – anschließend mit dem Holzschwert eins überbrät – DANN IST WAS LOS!
(Du hast Deine Schwester geschlagen, ich bin enttäuscht!)

Interessant ist, dass der tapfere Ritter schon Minuten später wieder mit der Schwester Puppen spielt. Sie deckt den Tisch – er kocht. Heißt: Er rührt Blütenblätter, Kreidestaub und zermanschte Vogelbeeren (huch, giftig, schnell Sagrotan!) mit rostig-brackigem Wasser – handgeschöpft aus dem Lenker einer Fahrradruine – zusammen.

Wird das Spiel langweilig, gehen sie gemeinsam auf Spinnenfang.
ER wuchtet die Gullideckel aus dem Spielplatzumfeld vor dem Haus und hält eine hübsch mit Gräsern eingerichtete Plastikkiste als Spinnen-Penthouse bereit.
SIE darf die possierlichen Geschöpfe – je dicker, je besser – aus den Gullischächten angeln, weil ER sich ekelt. Eine klare Geschlechteraufteilung lässt sich hier also nur anhand von Accessoires (lila Schaufel) erkennen.

Aber wehe, es kommt eine Nachbarin vorbei. Dann wird sofort die Tierschutz-Keule ausgepackt: Spinnen, nützliche Tiere, in Frieden lassen… blablabla. Und wer kriegt sie ab, die Du-bist-ein-ganz-böser-Tierquäler-Standpauke?

ER.

Mädchen würden sowas doch niemals tun! Vermutlich hat ER sie nur gezwungen. Von wegen. Ich habe meine Tochter selbst dabei ertappt, wie sie mit sichtlichem Genuss einen Feuerkäfer unter dem rosa Glitzerflipflop zerquetscht hat. Mit dieser leichten Fußdrehbewegung, damit auch wirklich nur noch gelbe Käfer-Matsche  übrig bleibt, die in den Sohlen-Rillen klebt.

Huch? Ein Fall für die Kinderpsychiatrie? Wirklich? Ein Kollege erzählt immer wieder gern die Geschichte, wie er als kleiner Junge Frösche aufgeblasen hat, bis sie geplatzt sind.
Heute ist er eigentlich recht normal – der Kollege.

Die Kinder sind es sicher nicht, die sich ganz alleine in ihre Geschlechterrolle fügen. Wir sind es, die sie da rein drängeln. Begeistert unterstützt von einer Kinderspielzeugindustrie, die immer neuen überflüssigen Mist auf den Markt wirft, der auf jeden Fall auch noch einen Platz im vollgestopften Kinderzimmer findet.

Ebenso begeistert unterstützt von Kindermodekaufhausketten, die die Plastik-Spielzeughelden aus dem Sondermüll-Kaufhausregal geschlechterklischeehaft großflächig auf jedes Shirt printen.

Denn eins muss klar sein: Das Dreijährige Wesen hat zwar so lange Haare dass es nichts mehr sehen kann (Hach, der Justus-Marius mag einfach nicht zum Frisör…), aber da ist eine Druide auf dem T-Shirt. Muss ein Junge sein.

Zwanghaft kaufen wir auch rosa Lillifee-Frühstücksdosen für SIE und Star-Wars-Trinkflaschen für IHN.

KEIN KIND HAT UNS DAZU GEZWUNGEN.

Glitzerflipflops    Und wieder eine neue Geschmacklosigkeit im Spielzeugregal.

 

Warum bekommt mein Sohn zum Kindergeburtstag von seinen Freunden einen Kompass, ein Dinosaurier-Ausgrabungsset, Lego-Technik und ein Schnitzmesser?
Warum bekommt die Tochter Bügelperlen (in Pink), scheußliche und komplett zweckfreie Plastik-Filly-Pferde, noch scheußlichere Glubschies und Lipgloss? Dabei würde SIE vermutlich auch gerne mal ein Dino-Skelett ausbuddeln und mit dem Schnitzmesser stellt sie sich ohnehin geschickter an, als ihr älterer Bruder.
Gut, dass ER es ihr manchmal ausleiht. Das Messer. Immer dann, wenn ER gerade Laserschwerter aus pinkfarbenen Bügelperlen bastelt. Für die Baby-Born-Puppe.

GEHT DOCH.

11. März 2014

1 Kommentar

Herrlich! Ganz toll geschrieben

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