Meine beste Freundin, ihre Tochter und ich

Es ist ein bisschen wie bei Schneewittchen, nur mit mehr Erwachsenen und ohne böse Stiefmütter. Aber ansonsten kann man eine gewisse Ähnlichkeit nicht abstreiten. Kleine Schuhe vor dem eigenen Bänkchen über dem kleine Jacken hängen. Becherchen, Tellerchen, alles vorhanden. Es ist eine Premiere für mich: Tina, Luisa und ich holen Paulina gemeinsam vom Kindergarten ab.

 

Es ist ein Gewusel aus kleinen Zwergen. Dort hinten fließen Tränen, hier vorne wird gelacht und zwischen durch diese kleinen Szenerien rennt Paulina auf uns zu und hat nur Augen für … Luisa natürlich.

 

Paulina: „Luisa, Luisa, du bist da.“

 

Sie quasselt auf ihre kleine Schwester ein, die auf Mamas Arm sitzt, knuddelt ihre Füße, streckt sich nach oben und drückt ihr einen Kuss auf die Wange. Luisa kann daraufhin das Quietschen nicht sein lassen.

 

Tina: „Das ist jedes Mal so, wenn wir sie abholen. Die Liebe ist ungebremst.“

 

Paulina hat noch gar keine Lust darauf, sich die Schuhe anzuziehen und sich auf den Heimweg zu machen. Viel lieber wedelt sie mit ihrem „Zauberstab“ umher und „verzaubert“ die Menschen, die um sie herum stehen.

 

Paulina: „Ene, mene … du bist ein Löwe. Hex hex!“

 

Ihr kleiner Kindergartenfreund findet die Idee, auf einmal ein Löwe zu sein, nicht so schön wie Pauli. Beim kleinen Löwen kullern plötzlich Tränen. Nun muss auch ich mich, wenn es nach Pauli geht, „verwandeln.“ Ene, mene … und ich sollte ein Wildschwein sein. Und natürlich mich auch so bewegen und auch die passenden Geräusche dazu machen. Ich lehne dankend ab, während Tina nur all zu gerne meine Wandlungsfähigkeit gesehen hätte. Die Zauberstunde endet schließlich mit einer kleinen Erinnerung.

 

Tina: „Auf geht’s Pauli. Wir wollen doch noch einen Kuchen backen, bevor Papa nach Hause kommt. Schließlich hat er morgen Geburtstag.“

 

Hex, Hex und in Windeseile machen sich alle – auch die kleine Hexe – auf den Weg nach Hause.

 

Zu Hause angekommen geht es ohne Verschnaufpause weiter. Während Luisa, die sich mittlerweile schon hochziehen kann, in einer Seelenruhe spielt, ist Pauli nicht zu bremsen, schließlich will sie unbedingt mitbacken.

 

Das Backen scheint Pauli an etwas zu erinnern. Erst höre ich sie leise summen und dann traut sie sich. „In der Weihnachtsbäckerei …“ singt sie und Mama macht mit. Nach einem prüfenden Blick von Pauli, ob auch ich textsicher bin, lasse ich mich auch verleiten. So stört es uns gar nicht, dass es Anfang April ist.

 

Man nehme Mehl – alles klar, Pauli darf es in die Schüssel schütten. Dann ein bisschen Zucker, auch das klappt. Margarine noch und Eier nicht vergessen. Pauli ist mit so viel Eifer dabei, dass kurz vor Schluss ein ganzes Ei in der Schüssel landet, inklusive vieler klitzekleiner Stücke der Eierschale.

 

Paulina: „Uups!“

 

Tina: „Das wird wohl nichts. Wir müssen nochmal anfangen.“

 

Alles also nochmal auf Anfang, hex hex!

 

Beim zweiten Anlauf klappt es dann. Es ist eben noch kein Bäckermeister vom Himmel gefallen. Wir warten gemeinsam auf das Ergebnis.

 

Ich: „Pauli, wie alt wird denn dein Papa?“

 

Paulina: „Alt“.

 

Aha. Das werden also ganz schön viele kleine Schokolinsen, die wir später auf den Kuchen streuen müssen.

 

Ich: „Was gibt’s denn Neues bei dir?“

 

Sie überlegt scharf. Wir schauen in den Backofen, in dem der Kuchen langsam hochgeht. Dann fällt es ihr ein.

 

Paulina: „Komm’ in mein Zimmer. Ich zeig dir was.“

 

Sobald ich oben an der Treppe angekommen bin, soll ich die Augen schließen. Sie führt mich im Schneckentempo in ihr Zimmer. „Noch nicht gucken“, ermahnt sie mich. Ok, ok. „Jetzt darfst du!“.

 

Ich stehe in Paulinas persönlichem Traum-Kinderzimmer. Denn das, was ich da sehe, hat sie sich schon so lange gewünscht: Ein Hochbett. Wie der Osterhase das in den ersten Stock bekommen hat …

 

Paulina: „Das ist mein Bett.“

 

Sie ist stolz wie Oscar, zeigt mir, dass man oben schlafen kann – natürlich in Elsa-Bettwäsche -, und dass man unten spielen kann. Ich ziehe den Kopf ein und befinde mich in der Spielhöhle der kleinen Zauberin.

 

Paulina: „Weißt du, Anki. Du kannst mich jetzt jeden Tag besuchen kommen.“

Während sie das sagt, nickt sie leicht mit dem Kopf, wie es auch ihre Mama manchmal macht.

 

Ich bedanke mich höflich für das Angebot und frage mich im gleichen Moment, ob sie mich womöglich als gleichaltrigen Spielgefährten sieht? Oder als Erwachsene? Oder als irgendwas dazwischen? Egal. Schneewittchen und die sieben Zwerge haben sich ja schließlich auch irgendwie verstanden, oder? Ich freue mich jedenfalls über das Angebot.

 

Tina: „Der Kuchen ist gleich fertig.“

 

Noch bevor Papa nach Hause kommt, haben sie es also noch geschafft, die Geburtstagsüberraschung zu backen. Und was hat Papa dazu gesagt? Er hat sich natürlich gefreut und geschmeckt hat es ihm auch. Und das war im wahrsten Sinne des Wortes schon ein kleiner Vorgeschmack auf den nächsten Monat. Im Mai wird Paulina schließlich schon vier Jahre alt. Die Anzahl der Schokolinsen ist da etwas überschaubarer als bei Papas Kuchen. Wie die kleine Hexe feiern wird? Wenn das Wetter mitspielt, im Freien natürlich. Bis dahin wird aber erst noch weiter fleißig mit der kleinen Schwester gespielt, das Hochbett eingeweiht und gezaubert.  Ene, mene, muh und raus bist du!

Von Ann-Kathrin Weber

Über die Autorin: 

Redakteurin Ann-Kathrin Weber hat zwar selbst noch keine Kinder, schreibt aber besonders gern über Kinderthemen. Für StadtLandKind hat sie ihre Freundin Tina durch die Schwangerschaft begleitet und besucht Paulina und ihre Eltern einmal im Monat für uns.

 

 

15. April 2018