Danke für gar nichts, Lidl

Zum Muttertag sei es „Zeit, Danke zu sagen“, findet die Firma Lidl. Und am Besten könne man das, indem man Müttern wahlweise eine Nähmaschine, ein Bügeleisen, ein Kochbuch, eine Kaffeemaschine oder einen Saugroboter kaufe. „Das ist total frauenfeindlich“, sagt mein zwölfjähriger Sohn spontan. „Warum ist das frauenfeindlich?“, frage ich. „Weil Lidl so tut, als wären nur Frauen für die Hausarbeit da und würden sich dann auch noch freuen, wenn sie ein neues Bügeleisen kriegen“, sagt der Sohn und hat damit erfasst, was den Lidl-Werbetextern offensichtlich entgangen oder schlichtweg egal ist.

„Aber ich mache doch auch die meiste Hausarbeit“,  spiele ich Advocastus Diaboli. „Das ist doch kein Argument“, sagt der Sohn. Und hat wieder recht, auch wenn er sein spontanes Gefühl nicht so richtig in Worte fassen kann.
Aber für Lidl ist das offensichtlich ein Argument.  Nun könnte man natürlich sagen, dass diese Werbung lediglich die Lebenwirklichkeit zahlreicher Paare mit Kindern abbilde. Aber das ist halt Unsinn. Genauso könnte man sagen, dass gefotoshopte Magermodels auf Plakatwänden total okay sind, weil sie ja nur die Lebenwirklichkeit magersüchtiger Teeanger-Mädels abbilden würden.
Oder dass es total okay ist, Osterhasen in rosa Papier einzuwicken und „für Mädchen“ draufzuschreiben, weil das ja nur die Lebenwirklichkeit von kleinen Kinder abbilden würde.

Es ist absurd, dass wir uns einerseits über Werbespots aus den 50er Jahren lustig machen, in denen Hausfrauen abgebildet werden, die sich mit Pudding und Putzlappen ins Männerherz kochen und feudeln und gleichzeitig schulterzuckend danebenstehen, wenn Werbetexter und Marketingstrategen 2018 nicht nur dieselben alten Klischess bedienen, sondern genau dieses altbackene Frauenbild zur Hochglanz-Perfektion stilisieren.

Und nebenbei tun sie das übrigens nicht nur mit Frauen sondern auch mit  Männern. Es ist nicht nur zum Weglaufen, wenn schon kleinen Jungs vorgeschrieben wird, sie dürften keine rosa Schokohasen essen, weil die für Mädchen seien. Es ist diskriminierend.
Und es ist widerlich, wenn erwachsene Männer in Werbeprospekten darauf reduziert werden, dass dass die einzige Zielgruppe für Grillfleisch, Holzkohlesonderangebote und Bier sind. Weil sie am Vatertag nur grillen und saufen, während die Frauen daheim mit den Kindern putzen und nähen.
Aber das alles passt natürlich ganz wunderbar in eine Zeit, in der man sich wieder auf Heimat besinnen möchte. Heimat ist schließlich auch dort, wo Frauen, hübsch zurechgemacht am Herd stehen und Männer noch echte Männer sein können. Heimat ist dort, wo Mädchen mit langen Zöpfen und niedlichen Kleidchen auf der Straße Gummitwist und Käsekästchen spielen und Jungs raufen und mit selbst gebauten Zwillen auf die Nachbarkatze schießen.
(Achtung, an dieser Stelle hüpft gerade ein Reh durchs Bild).
Nun kann man natürlich auch argumentieren, dass das doch alles nicht so schlimm sein. Das mit der Nähmaschine und dem Bügeleisen. Und dass man das ja nicht kaufen müsse. Aber es ist schlimm. Es ist schlimm, wenn Werbung permanent ein Rollenbild vermittelt, aus dem sich ein Großteil der Männer und Frauen seit Jahrzehnten versucht, zu befreien. Und es ist doppelt und dreifach schlimm, dass viele erwachsenen Männer und Frauen offensichtlich nicht einmal bemerken, auf welch eine perfide Weise hier versucht wird, Einfluss auf ihr gesellschaftliches Rollenverständnis zu nehmen. Man nennt das auch Gehirnwäsche.
Meine einzige Hoffnung liegt in den Zwölfjährigen dieser Welt. Jenen Zwölfjährigen, die mit dem Vater an der Nähmaschine sitzen, mit der Mutter das Dach vom Gartenhaus decken, mit der Schwester den rosa Schokoladenhasen teilen und die Lidl total blöd finden.

 

7. Mai 2018

1 Kommentar

Elisabeth Kramer

Meine Mutter bekam ca. 1955 von meinem Vater zu Weihnachten eine blöde Kartoffelschälmaschine geschenkt. Sie hat das Geschenk nicht akzeptiert, das sei doch kein persönliches Geschenk, so eine Gerät für die Küche. Er hat ihr dann tatsächlich eine hübsche Handtasche geschenkt.
Ich habe damals und später viel von meiner Mutter gelernt – so ganz umsetzen konnte sie ihre Einstellung allerdings noch nicht. Das kann jetzt meine Tochter ein ganzes Stück besser.

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