Meine beste Freundin, ihre Tochter und ich

Die Kamerafrau gibt ihr Bestes, wackelt aber ein bisschen, weil sie sich so freut. Paulina zeigt mir via Videoanruf voller Stolz, was der Nikolaus in ihren Gummistiefel gepackt hat. „Schau, voller Süßigkeiten“, sagt sie, geht mit der Kamera dicht an den Stiefel heran und dann wieder zurück und lacht mich mit ihrem schönsten Zahnlücken-Lächeln an. Dass ich sie das letzte Mal so richtig live gesehen und gedrückt habe, das ist eine große Weile her, und ich meine, dass sie seitdem ein ganzes Stück gewachsen ist. Das ist aber nicht das Einzige, was sich innerhalb der letzten drei Monate verändert hat.

Kurz vor der Einschulung im September waren wir zuletzt bei Paulina und ihrer Familie zu Besuch. Und in den letzten drei Monaten ist viel passiert, denn vor allem der Alltag hat sich für Paulina geändert: „Das ist mein Schulranzen. Er ist pink und hat Sterne drauf“, sagt Pauli und zeigt mir durch die Kamera ihren neuen, täglichen Begleiter. „Der ist super schön.“ Sie macht die Tür zu, sodass wir ungestört und ohne Mama ein bisschen sprechen können, wie man das unter Freundinnen eben so macht.

Ich: „Wie gefällt es dir in der Schule, Pauli?“

Paulina: „Gut, wir haben schon viele Buchstaben gelernt. Ich glaube, ich kann schon acht. Ich kann schon ein paar Wörter schreiben und lesen.“

Ich: „Aha, und welche?“

Paulina (beginnt aufzuzählen): „Nino, Nina, hm … Toni …“

Ich: „Und wie sieht es mit dem Rechnen aus? Kannst du das auch schon?“

Paulina: „Das macht nicht so viel Spaß, aber ich habe schon die Zahlen bis 9 gelernt.“

Auch wenn Pauli den Übergang vom Kindergarten in die erste Klasse super gemeistert hat, ist es manchmal noch ein bisschen neu für sie. „Manchmal vermisse ich auch den Kindergarten“, sagt sie als sie in die Küche läuft und zu ihrer kleinen Schwester Luisa schaut, die ebenso stolz die Ausbeute vom Nikolausbesuch auf den Küchenboden leert. Im nächsten Moment zählt Pauli aber mit einem breiten Lächeln auf, warum Kunst ihr absolutes Lieblingsschulfach ist. „Weil wir so viel Cooles machen. Und wir dürfen Deckweiß benutzen. Das find ich toll.“

Es wird sich wohl nie ändern, dass man als Schüler Deckweiß toll findet.

Ich: „Habt ihr denn mehr Jungs oder mehr Mädels in der Klasse?“

Paulina (denkt kurz nach): „Ich glaube, ein paar mehr Jungs. Manche sind lieb, manchen nicht ganz so …“

Auch das wird wohl immer ein Thema bleiben.

Ich: „Wie fandest du denn dieses Jahr? Es war ein bisschen anders als sonst, oder?“

Paulina (wieder zurück im Kinderzimmer): „Es war blöd. Wir durften auf keine Spielplätze …“

Ich: „Aber gab es denn auch etwas Schönes?“

Paulina: „Dass wir mit Mama und Papa viel gemacht haben.“

Ich: „Und bald ist ja auch Weihnachten. Hast du einen Wunsch und verrätst du ihn mir?“

Paulina (flüstert): „Ja, ich wünsche mir ein Bett für mein Puppenhaus.“

Ich (flüstere zurück): „Ok, ich drücke dir die Daumen, dass der Wunsch in Erfüllung geht.“

Pauli reicht das Telefon wieder an ihre Mama, die gerade den Teig für das Stockbrot vorbereitet, denn den Nikolausabend wollen sie gemütlich im Garten verbringen. Während sich Paulina und Luisa für dieses kleine Abenteuer vor der Haustür vorbereiten – Süßigkeiten aus den Gummistiefeln raus, Füße rein, warme Jacke, Handschuhe und Mütze anziehen – nutze ich die Gelegenheit, mit Tina über die vergangenen drei Monate zu sprechen.

beste FreundinIch: „Gefühlt erst gestern war September. Wie waren die letzten drei Monate für euch?“

Tina: „Die Zeit verging echt wie im Flug. Wir waren vor Paulis Einschulung natürlich alle aufgeregt und gespannt, wie der neue Alltag für uns alle wird. Aber wir sind ein gutes Team und haben uns alle schon gut an die neue Situation gewöhnt, vor allem Paulina. Die neuen Abläufe, die mit der Schule zusammenhängen – vor allem das Fertigmachen morgens, das Abholen nach der Schule und die Hausaufgaben – haben sich gut eingespielt. Und letztendlich fühlt es sich so an, wie wenn es schon immer so gewesen wäre.“

Doch an einen Moment kann sich Tina genau erinnern, denn dieser hat ihr unmissverständlich klar gemacht, dass Paulina einen weiteren großen Schritt gemacht hat. „Wir waren im Auto unterwegs zu einem Möbelhaus und plötzlich rief Pauli nach vorne, dass wir gleich da sind. Und sie hatte recht – sie hat den Namen laut vorgelesen.“

Tina: „Es waren zwar ,nur‘ ein paar Buchstaben, aber es war ein weiterer Meilenstein.“

„Es ist eine Chance für Familienzeit“

Die erneuten Corona-Einschränkungen brachten auch für Paulina und ihre Familie abermals Veränderungen. So hat Pauli wieder via Video Klavierunterricht und die Familie ist wieder vermehrt zu Hause. „Das ist für uns aber kein Problem und für die Kinder auch nicht“, sagt Tina. So wird der große Esstisch einmal mehr zum Basteltisch und Pauli und Luisa basteln Weihnachtsdekoration für die kommenden Feiertage. Wie gut, dass im Adventskalender die passenden Buntstifte stecken. Und die Inspiration für Weihnachtsbilder holen sie sich von ihren Abendspaziergängen mit Mama und Papa entlang der dekorierten und beleuchteten Häuser in der Nachbarschaft.

Ich: „Jetzt sind wir fast am Ende dieses verrückten Jahres: Wie blickst du auf dieses zurück?“

Tina: „Ich persönlich blicke auf das Corona-Jahr unterm Strich positiv zurück, weil wir uns nicht beschweren können und es uns Gott sei dank gut geht. Wir haben großes Glück, viel Zeit im Garten verbringen zu können, und wir machen das Beste aus der Situation.“

Und dennoch war dieses Jahr auch eine Herausforderung in vielerlei Hinsicht – auch was den Spaß angeht. „Es ist nicht immer einfach, die Kinder bei Laune zu halten. Und sie sind auch noch zu jung dafür, um sich ständig selbstständig zu beschäftigen.“ Tina sieht in diesem Jahr ganz persönlich aber auch Chancen – „es ist eine Chance für unsere Familienzeit“, wie sie sagt. Denn, dass Papa Markus die Kinder von Kindergarten und Schule abholen kann, ist für Paulina und Luisa genauso ungewöhnlich wie schön.

Ich: „Paulina hat mir ihren Weihnachtswunsch schon verraten. Aber was wünscht du dir?“

Tina: „Ich wünsche mir, dass sich die Situation möglichst bald wieder etwas entspannt. Und ich wünsche mir, dass wir im nächsten Jahr mal wieder ein Familienfest mit allen zusammen ausgelassen feiern können.“

Von Ann-Kathrin Weber 

Ab sofort besuchen wir Paulina und ihre Familie alle drei Monate und berichten dann über Neuigkeiten, Lieblingsfächer und alles, was im Leben von Paulina eine Rolle spielt. Die nächste Folge von „Paulinas Tagebuch“ erscheint am 15. März.

15. Dezember 2020