Meine beste Freundin, ihre Tochter und ich

beste Freundin„Du bist da, wie letztes Mal. Setz dich“, sagt Paulina noch in der Haustür stehend. So werde ich begrüßt als ich Tina und Paulina an diesem Morgen im April besuche.

An meiner einen Hand zieht mich Paulina ins Wohnzimmer, während ich in meiner anderen eine große Tüte vollgepackt mit Brötchen und Croissants halte. „Hmmm“, macht Paulina und setzt sich sogleich auf ihren Stuhl. Da hat wohl jemand Hunger. Also nichts wie ran an den Frühstückstisch.

Was mir während des Frühstücks gleich auffällt: Paulina erzählt und erzählt und erzählt. Aber es gibt noch etwas, das mir zeigt, wie groß sie schon ist: So lässt sie ihre Füße baumeln und tritt mich ein paar Mal ganz leicht und unabsichtlich unter dem Tisch. Es ist noch gar nicht so lange her, da konnte sie auf diesen noch nicht einmal stehen. Verrückt.
Aber nicht nur meiner, sondern auch ihr Blick wandert unter den Tisch. Paulina schaut fragwürdig zunächst auf meine nackten Füße, dann in mein Gesicht.
Paulina: „Wieso ohne?“
Ich: „Ich hab‘ meine Socken vergessen.“ 

Mich plagt schlagartig ein schlechtes Gewissen vor dieser fast Dreijährigen und ihrer Mama, die ihr bestimmt jeden Tag sagt, wie wichtig es ist, Socken anzuziehen.
Paulina: „Aha. Nie ohne Socken gehen.“ 

Tina nickt eifrig, sie ist stolz auf ihre Tochter, die mich auf liebevolle Weise ermahnt. Na also, wusste ich es doch. Ok, ich merke es mir. Ich werde mich bessern. Versprochen. Schnell das Thema wechseln. Ich entdecke noch Geburtstagsgeschenke auf dem Tisch.
Ich: „Wie alt ist denn dein Papa geworden?“
Paulina tunkt ein Stück Croissant in den großen Honigklecks, kaut, schluckt und schaut mich an.
Paulina: „Alt.“
Ich: „Und wie alt wirst du bald?“
Paulina: „Dei.“ Also drei.
Das große Thema bei Paulina zu Hause ist neben ihrem eigenen Geburtstag im Mai auch der Kindergarten, den sie bald besuchen darf. Jeden Tag wird sie schon für ein paar Stunden eingewöhnt. „Sie freut sich total“, sagt Tina, lässt sich nach dem Frühstück auf das Sofa fallen und streichelt ihren Bauch. Das Baby ist aktiv. Währenddessen zeigt Paulina stolz ihr neuestes Accessoire, das sie bald benutzen darf. Schließlich ist sie „bald ein Kindergarten-Kind“, wie Paulina selbst sagt. „Guck mal, Anki. Mein Rucksack“, sagt sie und dreht sich im Kreis. Sie ist also schon groß und kein Baby mehr. Das ist ja schließlich in Mamas Bauch.
Tina: „Sie freut sich sehr auf das Baby. Wenn ich sie abhole, rennt sie oft auf mich zu und ich denke, sie springt mir in die Arme. Aber dann sagt sie: ,Hallo, Baby!‘ In diesen Momenten scheint sie sich eher darüber zu freuen, meinen Bauch zu sehen als mich … Es ist aber wirklich zuckersüß, weil sie voller Vorfreude ist.“
„Bauch“ ist das Stichwort für Paulina. Sie klettert auf die Couch, kuschelt sich an ihre Mama, umarmt ihren Bauch und drückt ihm noch lautstark einen Schmatzer drauf. „Das macht sie mehrmals täglich“, sagt Tina mit einem Lächeln und zeigt leise auf ihre kleine Tochter. Paulina horcht an Mamas Bauch. „Buuh“, sagt sie dann und presst die Lippen an den Bauch, dann ein Blick nach oben. „Das Baby ist noch nicht wach“, sagt Paulina. Naja, jetzt vielleicht schon. Jedenfalls kann ich es kurz danach spüren, wie es sich bewegt.
Tina erzählt weiter von den letzten Tagen und vor allem vom Anmalen der Ostereier. „Dieses Jahr haben wir das zum ersten Mal richtig gemacht und sie hatte sehr viel Spaß daran. Ich habe ihr gesagt, dass sich der Osterhase freut, wenn der Garten schön bunt ist. Also haben wir die Eier in die Hecken gehängt“, sagt Tina.  Ich schaue in den Garten, der bunt leuchtet in blau-getupft, gelb, rot und vereinzelt auch in lila. Tina erzählt weiter darüber, wie es ihr geht, was alles so langsam schwer fällt, weil der Bauch immer größer wird und wie Paulina darauf reagiert.
Ich tippe derzeit alles in meinen Laptop, damit ich auch ja keine Neuigkeit von Paulina vergesse. Sie kommt auf mich zu.

Paulina: Was machst du da?“

Ich: „Ich schreibe. Schau.“ 

Ich zeige ihr die Buchstaben und was passiert, wenn man auf die Tastatur drückt.

Paulina: „Was schreibst du?“

Tina: „Die Anki  schreibt auf, was du dir vom Osterhasen wünschst, damit sie ihm den Brief weiterleiten kann.“

Paulinas Augen werden größer, als sie es ohnehin schon sind.

Ich: „Was wünscht du dir denn vom Osterhasen?“

Paulina: „Schreib auf: Meerschweinchen. Ganz viele. Eins, zwei, drei, vier, fünf …“

Sie zählt es an ihrer Hand ab, mehr als fünf Finger hat ihre Hand aber nicht. Sie versichert mir aber, dass sie bis 10 zählen kann. Ob sie die kleinen tierischen Mitbewohner bekommt – und letztendlich wie viele von ihnen … wir werden sehen. Ich verspreche ihr aber, die Bestellung weiterzugeben (was ich hiermit tue, liebe Tina. Schließlich unterstützt du ja den Osterhasen, oder?!).

Apropos Osterhase: Während Tina und ich weiter über dies und das erzählen, spielt Paulina abwechselnd mit ihrer Puppe „Nonno“, die sie wickelt und in den Schlaf trägt – „Psst!“, wir sollen leiser reden – und mit einer Osterhasenfigur, die sie in den Puppenwagen neben mich legt.
Paulina: „Schläft der Osterhase?“
Ich: „Ich denke schon. Lassen wir ihn schlafen.“
Paulina: „Ja, dann lassen wir ihn schlafen. Psst.“
Ich: „Bist du auch müde?“
Paulina: „Nein, ich bin jetzt wach.“
Und wie. So zeigt sie mir ihr Kinderzimmer und das, in dem ihre kleine Schwester bald schlafen wird. Sie zeigt mir ihre Spielsachen und ist auch sonst so aufgedreht, dass wir – komme, was wolle – mit ihr apielen müssen. So packt sie zwei Spielbretter nach einander aus und sagt ihrer Mama, dass jetzt nun sie die richtige Antwort gibt. „Nicht du!“ – ok, ok, Tina hält sich dran. Sie gewinnt diese Spielrunde. Dann möchte sie Verstecken spielen.
Paulina: „Ich zähl‘ bis zehn.“
Sie hält sich die Augen zu, spickt aber ein paar Mal durch ihre Finger. Währenddessen versteckt sich Tina unter der Sofadecke. Dann krabbelt  Paulina unter den Tisch, dann hinter mich und versteckt sich. So geht das hin und her.  „Wenn sie spielt, ist sie ganz in ihrem Element“, sagt Tina. Und wehe es fehlt ein Teilchen von einem Brettspiel.
Paulina: „Mama, wo ist die Glocke?“
Tina: „Ja, die müssen wir mal suchen.“
Paulina: „Nein, du sollst sie suchen.“

Während Paulina erzählt, mischen sich dann und wann ein paar spanische Wortfetzen unter ihre Geschichten. Markus und seine Familie sprechen seit Anfang an viel Spanisch mit Paulina. „Man merkt jetzt so langsam, dass sie es versteht. Aber ich bin richtig verwundert darüber, dass sie es auch sprechen kann. Zum Beispiel hat sie kürzlich morgens „Papa, ven“, also „Papa, komm“ gerufen“, sagt Tina, während sie würfelt. Und auch die Osterhasenfigur, die nun nach Paulinas Meinung ausgeschlafen hat, soll kommen. „Ven, ven“, sagt Paulina.

So ein Frühstück und die vielen kleinen Spiele zwischendurch machen ganz schön müde, so sehe ich die ach so „wache“ Paulina dann doch ein paar Mal ihre Augen reiben. Aber schlafen ist erlaubt, schließlich muss sich ja auch der Osterhase für das große Fest ausruhen. Und Paulina auch:  Es steht einiges an.

Von Ann-Kathrin Weber

 

Zur Autorin
Seit drei Jahren begleitet die Redakteurin und Autorin Ann-Kathrin Weber ihre Freundin Tina für StadtLandKind – erst durch die Schwangerschaft und dann durch Paulinas Baby- und Kleinkindjahre. Wir sind gespannt, wie es weiter geht.

15. April 2017
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