Warum ich große Angst vor Ostern habe. Und vor Weihnachten übrigens auch!

Glauben eure Kinder eigentlich noch an den Osterhasen? Oder den Weihnachtsmann? Meine Begeisterung für diese Familienfeste könnte man in einem eindeutigen Diagramm darstellen: steile Kurve nach oben (Kleinkindzeit) und dann steile Kurve nach unten (Schulzeit).

Warum?

Weil ich gelogen habe! Und weiterhin lüge. Immer wieder und wieder habe ich begeistert vom Osterhasen erzählt. Vom Christkind vorgelesen, vom Weihnachtsmann vorgesungen, von der Zahnfee geheimnisvoll geraunt… ohne jedes Konzept und ohne jede Weitsicht.

Unser erstes Osterfest mit Kleinkind war wie ein Rausch. Sämtliche Verwandte rückten an und der Garten war bunt übersät mit Osterhasen und Eiern. Noch Wochen später rief mein Sohn beim Spazierengehen bei jeder grünen Fläche, jedem Stück Rasen: EIAAAAAAA!?!

Das hätte von uns aus so weitergehen können. Aber es wurde schnell kompliziert. Zu groß war das Interesse meines Sohnes für Naturphänomene. Irgendwann begannen bohrende Fragen: Wo der flauschige, süße Hase denn nun wohnen würde und woher er die Schokoladeneier bekäme … und das waren nur die einfachen der Fragen, hier kamen wir relativ einfach mit simplen Lügen wieder raus – wird mussten uns die Geschichten nur gut merken. Dann wurde es schwieriger: warum sind die Läden voll mit Schokoeiern, wenn der Hase die doch bringt? Kauft er die Eier da? Und wie und wo und überhaupt … ? Bist das nicht in echt du, Mama? Gib es zu. Du bist es doch. Oder?
Wie kommt man hier wieder raus?? Und wer hat sich diese *** Geschichte mit dem *** Osterhasen eigentlich ausgedacht?

Ostern3 Bist Du der Osterhase? Kuschelig bist Du ja!

Ähnlich verlief es mit Weihnachten. Die ersten Jahre waren wunderbar, ein Traum. Das Christkind/der Weihnachtsmann konnte sich so richtig austoben, unwidersprochen wurde hingenommen, dass die Berge von Geschenken plötzlich vor der Tür/unter dem Baum lagen, begleitet von einem feinen Schimmer im Nachthimmel und entsprechend Lametta auf dem Weg zur Gartentür … hach.

Doch auch hier wurde es bald kompliziert. Nach ein, zwei Jahren wurden wir den ganzen Weihnachtstag hindurch scharf beobachtet. Irgendwann arbeitete die komplette Familie (immer unwilliger, muss ich zugeben) an einem ausgefeilten Lügengerüst, sogar die Nachbarn wurden eingespannt, um schnell die eine oder andere Kerzen anzuzünden, zu klingeln, zu klopfen, Geschenke abzulegen.

Doch mein Sohn wurde trotzdem immer misstrauischer. Seine Wunschzettel lasen sich so:

„Lieber Weihnachtsmann (?), liebes Christkind. Was ich mir wünsche, weiß meine Mama. Aber ich habe eine Frage an dich: wenn es dich gibt, hast du dann einen roten oder einen blauen Mantel an? Bitte schreibe mir doch zurück! Dein …

Oder: Wer bezahlt dich? Woher hast Du das ganze Geld für die Geschenke? Warum bringst Du den armen Kindern weniger Geschenke als den reichen?

Es wurde immer komplizierter. Und dann das: Als er sieben Jahre alt war, stürmte er eines heiligen Heiligabends mitten im Kindergottesdienst (Maria hatte gerade ihr Kind geboren und es war jede Menge los) zur Kirchentür und positionierte sich grimmig entschieden davor. Mit einem Ausdruck im Gesicht, der besagte: hier geht keiner früher und legt heimlich was unter den Baum! Nur durch gutes Zureden des Pfarrers, der Engel und dem lautstarken Geschrei der anderen Kinder (die zu ihren Geschenken wollten) konnten wir die Kirche irgendwann wieder verlassen. In diesem Moment war ich so erschöpft, dass ich fast die Wahrheit gesagt hätte. Ich hatte sogar schon den Mund geöffnet und mit heiserer Stimme angefangen irgendwas zu stammeln … da warf sich mir mein Sohn in die Arme und rief:

„Mama! Ich wünsche mir so sehr, dass es ihn gibt!“

Dann war erst mal wieder Schluss mit der Wahrheit.

Und jetzt ist bald wieder Ostern. Die Regale füllen sich mit Eiern und Hasen und Nestern. Nur zögernd werden bei uns die Bücher mit den bunten Osterhasengeschichten rausgeholt… Ob ich hier wohl je wieder rauskomme? Ohne Gesichtsverlust?  Aber vor allem: wie soll ICH Ostern und Weihnachten ohne entsprechende nostalgische Inszenierung feiern?

8. Dezember 2018