Familien in Zeiten von Corona: „Unsere Familie ist krisenfest“

Das Familienleben in Zeiten von Corona war und ist eine Ausnahmesituation. Die Schulen öffnen nur schrittweise, in vielen Kitas gibt es nur eine Notbetreuung. Eltern reiben sich seit drei Monaten zwischen Homeoffice, Homeschooling, Kinderbetreuung und Haushalt auf. Wie gut einzelne Familien die Situation abfedern konnten und können, das lag und liegt an ihrer persönlichen Situation. Den finanziellen Ressourcen, der Größe und Art der Wohnung … und vielem mehr. Wir haben uns mit drei Familien über ihren Familienalltag zu Zeiten von Corona unterhalten.

„Unsere Familie ist krisenfest“

Nina, 40, zwei Kinder, geschieden, leitet eine Waldorfkrippe in Heidelberg, und Eugen, 47, selbständiger Schauspieler und Stimmlehrer, mit Valentin, 11, und Madita, 9 Jahre.

„Wir betreuen unsere zwei Kinder, Valentin und Madita, im Wechselmodell. Beide besuchen eine Waldorfschule. Als die Kinder noch kleiner waren, hatten wir dieses feste Modell mit zwei Wohnsitzen und einem regelmäßigen Wechsel noch nicht. Da wir beide überzeugt sind, dass es für kleine Kinder zu anstrengend ist, im Wechselmodell zu leben und nicht ein festes Zuhause zu haben. Aber seit knapp vier Jahren wechseln die Kinder wöchentlich die Familien. Das hat sich sehr gut eingespielt. Dass dieses Modell bei uns so gut funktioniert, hängt aber natürlich vor allem damit zusammen, dass wir Eltern ein gutes Verhältnis haben. Dass wir kommunizieren und alles Organisatorische sachlich besprechen können. Außerdem haben wir uns auf eine pädagogische und erzieherische Linie geeinigt. Natürlich setzen wir unseren Alltag und das Familienleben jeweils anders um, aber es muss für die Kinder eine Leitlinie geben, damit das Modell funktioniert. Was bei dem einen gilt, kann bei dem anderen nicht falsch sein. Eugen hat seit einiger Zeit eine neue Partnerin und sie hat ebenfalls zwei Kinder mit in die Beziehung gebracht. Die vier Kinder sind ungefähr gleich alt und lieben sich über alles. Wenn Valentin und Madita bei Eugen sind, erleben sie ein richtig trubeliges Großfamilienleben. Der Bruder der neuen Partnerin wohnt ebenfalls mit seinen kleinen Kindern im Haus, es ist eine richtige große WG. Das hat mir – als plötzlich die Coronazeit begann – am meisten Angst gemacht. Ich hätte hier gern etwas mehr Abstand zwischen den Familien und den Kindern gehabt. Aber das war nicht machbar, – wie soll man sechs kleine Kinder, die in einem Haus leben, zeitweise voneinander trennen? –, und ich habe dann schnell gemerkt, dass ich dort nicht eingreifen kann, dass das Eugens Verantwortung ist. Deshalb haben wir unser Familienmodell trotz Corona einfach ganz normal weitergeführt.

Die Kinder leben jeweils eine Woche bei mir und eine bei ihrem Vater und treffen dort auf ihre „Bonus-Geschwister“. Für meinen Sohn ist das ein schöner Ausgleich, denn bei mir haben die beiden zurzeit fast keine Kontakte außerhalb unserer Kernfamilie. Madita darf eine bestimmte Freundin treffen (wir nennen es die kleine Viren-Gemeinschaft), aber Valentin ist sehr isoliert. Früher haben wir immer zusammen Basketball gespielt, plötzlich waren alle Plätze gesperrt. Seitdem spielen wir zu zweit begeistert Badminton. Inzwischen kann ich bald bei der Bundesliga mitmachen! Valentin hat zudem das Lesen für sich entdeckt. Er liest und liest und liest – er ist in den letzten Wochen ein echter Bücherwurm geworden. Auch das Unterrichten zuhause klappt bei uns super. Ich kann meine Arbeit in der Woche erledigen, in der die Kinder nicht bei mir sind, zurzeit sind wir ja alle in Kurzarbeit, und in der Kinder-Woche haben wir einen ganz normalen Schulalltag. Wir stehen um 8 Uhr auf. Um 8.30 Uhr beginnen wir mit den Aufgaben und um 13 Uhr gibt es Mittagessen. Die Nachmittage sind frei. Das machen die Kinder auch genauso, wenn sie bei ihrem Vater sind. Zuerst hatten wir sogar überlegt, ob wir nicht die Vormittage komplett bei Eugen und seiner Frau verbringen und alle vier Kinder gemeinsam unterrichten. Das hat aber nicht so richtig funktioniert – vor allem nicht für meine Tochter Madita, die sich mit Mathe noch etwas schwergetan hat und die von der intensiven Zeit zuhause in dieser Hinsicht sehr profitiert hat. Wir haben so ziemlich alles nachgeholt und geübt, was sie sich vorher nie zugetraut hat. An den Nachmittagen gehen wir dann viel raus, es gibt mit Kindern ja so viel zu entdecken, zu spielen und zu basteln …

Es ist zwar eine bedrohliche und verrückte Zeit, aber wir machen das Beste daraus. Ich habe auch den Eindruck, dass wir durch die vielen Krisen, durch die wir in den vergangenen Jahren als Familie gegangen sind, krisenfest geworden sind. Als hätten uns dieser ganze Schmerz und die Trauer über die Trennung resilient gemacht. Deshalb kann uns Corona – trotz der großen finanziellen Einbußen und der fehlenden Perspektive – als Familie nichts anhaben.“

Hier geht es zu weiteren Protokollen „Familien in Zeiten von Corona“:

stadtlandkind.info/ich-kann-nicht-mehr
stadtlandkind.info/die-zeit-war-fuer-uns-eine-art-erholung

Protokolle: bw // Illustration: Adobe Stock

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