Vom Vollzeitjob zum Vollzeit-Papa

Väter, die in den ersten Lebensjahren der Kinder ein Jahr oder länger zuhause bleiben, während die Mutter voll in ihrem Job arbeitet, sind noch immer die Ausnahme. Laut aktuellem Väterreport des Bundesfamilienministeriums haben zwar zuletzt 42 Prozent der Väter Elterngeld bezogen. Dabei gehen die meisten von ihnen nicht länger als die üblichen zwei Monate in Elternzeit und das oftmals gemeinsam mit der Partnerin. Wir haben mit einem Papa geredet, der sich mehr Zeit für seinen Nachwuchs genommen hat. Ein Jahr tauschte er mit seiner Frau die Rollen und blieb mit Sohn Jakob (inzwischen 3 Jahre alt) ein Jahr allein zuhause, während sie in Vollzeit zurück in ihren Job als Redakteurin der lokalen Tageszeitung ging.

Lieber Johannes, noch immer ist es ungewöhnlich, dass Väter Elternzeit nehmen und Mütter in den ersten Jahren mit Baby Vollzeit arbeiten. Wie kam es zu diesem Rollentausch?

Das hatte mehrere Gründe. Zum einen waren wir uns beide einig, dass Jakob vor dem Kindergarten nicht in einer Kita betreut werden sollte. Ich und meine Frau Anna haben also nach Möglichkeiten gesucht, ihn so lange als möglich in der Familie zu betreuen. Dazu kam, dass ich durch meinen Beruf als Koch in der Gastronomie sehr familienunfreundliche Arbeitszeiten hatte. Wir hatten eigentlich überhaupt kein geregeltes gemeinsames Familienleben. Wenn ich abends nachhause kam, waren die anderen schon längst im Bett, morgens war ich müde. Und auch die Wochenenden hatten wir nicht für uns, weil meine Frau sonntags oft arbeiten musste und ich auch. Als Anna nach zwei Jahren Elternzeit wieder voll einsteigen wollte, habe ich ihr den Vorschlag gemacht: Ein Jahr bleibe ich zuhause. Zuerst war sie etwas überrascht. Aber dann fand sie es super.

Und warum keine Kita? Hattet ihr schlechte Erfahrungen gemacht?

Nein, überhaupt nicht. Es war eher so ein Gefühl: Jetzt haben wir dieses Kind und wollen uns auch so viel es geht selbst darum kümmern und an seinem Leben teilhaben.

„Willst du dir das wirklich antun? Mir wäre das zu anstrengend“

Wie hat eure Umgebung, Familie und Freunde, auf die Pläne reagiert?

Auch überrascht. Tatsächlich mussten wir uns ab und zu richtig erklären. Es war tatsächlich in unserem Freundeskreis so noch nie vorgekommen. Die befreundeten Mütter fanden den Plan durchweg super. Von meinen Kumpels habe ich schon ab und zu Sprüche gehört wie: „Willst du dir das wirklich antun?“ Oder: „Mir hat der eine Monat schon gereicht.“

Wir fandest du die Sprüche?

Jede Familie muss selber wissen, wie sie ihr Leben und ihren Alltag so organisiert, dass es passt. Mir sind Konventionen egal. Ich habe es für meine kleine Familie und unser Familienleben gemacht. Nicht weil ich ein „Vorbild“ sein wollte oder etwas explizit anders machen wollte.

Und wie hat dein Arbeitgeber reagiert?

Begeistert war er natürlich nicht. Aber verständnisvoll. Und ich habe ihm fast ein Jahr vorher Bescheid gesagt, dass ich aussteige. Er konnte sich also darauf einstellen.

Wie war dann der Übergang für dich: vom Vollzeitjob zum Vollzeit-Papa?

Tatsächlich sehr unspektakulär und entspannt: Mein Jahr zuhause begann genau nach dem ersten Lockdown im Frühling 2020. Ich war also schon gut auf alles eingestimmt. Und dann begann deine Zeit allein unter Müttern … Wir haben in den ersten Monaten eigentlich nicht viele andere Eltern getroffen. Klar waren wir ab und zu auf dem Spielplatz, aber da Jakob ein sehr aktives und waches Kind ist und viel Bewegung und Input braucht und ich gern draußen unterwegs bin, haben wir das Wandern für uns entdeckt. Wir gehen eigentlich seit einem Jahr ein bis zwei Mal täglich in den Wald und wandern locker 90 Minuten. Jakob hat sein Laufrad dabei und ist happy. Wir unterhalten uns die ganze Zeit, das kann man mit ihm inzwischen richtig gut, er erzählt den ganzen Tag die witzigsten Geschichten und stellt ununterbrochen Fragen.

Hattet ihr denn andere Fixpunkte in der Woche? Pekip oder Schwimmen?

Wir waren ab und zu beim Kinderturnen, bis zum zweiten Lockdown. Und seit kurzem sind wir in der Musikschule. Das macht uns beiden großen Spaß. Da wird Gitarre gespielt und gesungen und getanzt. Hier bin ich tatsächlich die einzige Bass-Stimme … Andere Aktivitäten haben wir eigentlich nicht. Abgesehen davon, dass Jakob zwei Vormittage in der Woche bei seinen Großeltern ist. Das entlastet mich sehr, dann kann ich alles im Haushalt erledigen, was liegengeblieben ist.

Euer Jahr ist fast vorbei, hast du erzählt. Jakob kommt in den Kindergarten …

Ja, die Eingewöhnung übernehme ich noch. Dann starte ich beruflich wieder durch. Eigentlich wollte ich die Pause auch nutzen, um mir Gedanken zu machen, Pläne, wie es beruflich weitergeht, ob ich mich verändern will. Aber das hat nicht richtig geklappt. Zuhause mit einem Kleinkind, das ist ein echter Fulltime-Job!

Und wenn du jetzt auf das Jahr zurückschaust: Wie war es? Und: Würdest du es nochmal genauso machen?

Es war tatsächlich sehr anstrengend. Supertoll natürlich, aber auch anstrengend. Vielleicht weil Jakob so ein waches, aktives Kind ist und ein sehr schlechter Schläfer. Wenn er morgens aufwacht, dann reißt er die Augen auf und los geht’s. Er ist einfach heiß aufs Leben! Ob ich es nochmal genauso machen würde … kann ich nicht klar beantworten. Es war eine anstrengende Zeit, auch weil wir in dem Jahr noch umgebaut haben und umgezogen sind. Ich hatte mich so entschieden, weil es in der Situation das Beste für unsere Familie war. Und ich würde mir wünschen, dass es einfach normaler wird, dass auch Väter zuhause bleiben und sich kümmern.

Übrigens: die Zeit hat mich großen Respekt vor allen Müttern und Erziehenden gelehrt hat, vor allem Alleinerziehenden. Es ist ein Fulltime-Job und sollte besser gefördert werden.

Du würdest also gern andere Väter für eine längere Elternzeit motivieren?

Nicht nur Väter. Sondern beide Elternteile. Egal ob Vater oder Mutter: Versucht so viel Zeit wie ihr nur könnt mit euren Kindern
zusammen zu sein.

bw // Fotos: sho

 

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