„Let’s go Himalaya! Wo bitte geht’s nach Shangri-La?“

Katja Linke und ihre elfjährige Tochter Julia wollen nach Tibet. Den Himalaya sehen, Kraft tanken, einfach mal raus … Was sich heute – im Frühjahr 2021, mitten im zweiten Corona-Lockdown – liest wie ein Märchen aus einer anderen Welt – einfach losreisen können – wurde für die beiden zu einem echten Abenteuer, über das die niedergelassene Ärztin aus Hirschberg an der Bergstraße im Juli 2020 ein Buch veröffentlichte. „Let’s go Himalaya! Wo bitte geht’s nach Shangri-La?“ Unterhaltsam erzählt die Autorin von den Reisevorbereitungen und dem Schock nach der Ankunft. Denn: Angekommen in Tibets Hauptstadt Lhasa landen die beiden unsanft in der Realität … Das Buch ist eine Mutter-Tochter-Geschichte über Mut und Liebe, über Kulturkämpfe und Glücksmomente und über Loslassen und Ankommen vor der beeindruckenden Gebirgskulisse des Himalayas. Wir haben uns mit Katja Linke über dieses Abenteuer unterhalten.

Liebe Frau Linke, wenn Sie heute, in Zeiten von Reisebeschränkungen und Lockdown an Ihre große Reise denken, was fällt Ihnen zuerst ein?

Mir ist wieder bewusst geworden, dass es ein Privileg ist, reisen zu können. Unser damaliger tibetischer Reiseführer Pubu hatte aufgrund der politischen Situation  Residenzpflicht: er muss sich in dem Distrikt aufhalten, in dem er gemeldet ist, er verfügt über keinen Reisepass und er war noch nirgendwo anders als in Tibet –  Julia konnte es nicht verstehen, dass es Menschen gibt, die nicht reisen können oder dürfen. Für viele Menschen sind Reisen etwas Normales. Manche glauben, einen Anspruch auf Urlaubsreisen zu haben. Corona hat uns gelehrt, dass viele liebgewonnene „Selbstverständlichkeiten“ einfach keine sind.

In „Let’s go Himalaya! Wo bitte geht’s nach Shangri-La?“ erzählen Sie, wie Sie gemeinsam mit Ihrer elfjährigen Tochter ans Ende der Welt flogen. Hatten Sie oder Ihr  Umfeld keine Bedenken, eine Elfjährige diesen Strapazen auszusetzen?

Es war ja keine spontane Entscheidung nach dem Motto „Heute gedacht, morgen gemacht“. Ich habe mich sehr intensiv mit den Herausforderungen einer solchen Reise auseinandergesetzt – als Maxime unserer Reise galt: „Safety first!“, ohne Kompromisse. Wir unterzogen uns zahlreichen Untersuchungen, vor allem die Fähigkeit zur Höhenanpassung wurde überprüft. Wir wussten, dass es anstrengend und entbehrungsreich werden kann und haben nach bestem Wissen und Gewissen die Reise geplant. Julia und ich haben in der Vorbereitungszeit viel über die Reise und die zu erwartenden Strapazen gesprochen. Für sie war es eine Abenteuerreise, auf die sie sich einlassen wollte. Sie ist von ihrer Persönlichkeit belastbar, die Mediziner gaben grünes Licht und mein Mann wusste, dass er sich auf mich verlassen kann. Übrigens habe ich auf dieser Reise erfahren dürfen, was wir Kindern alles zutrauen können, und viel von meiner Tochter gelernt.

Warum ausgerechnet Tibet?

Mit dieser Reise erfüllte ich mir einen Kindheitstraum: ich war als lesende Begleiterin mit Tim und seinem Hund Struppi aus dem gleichnamigen Comicband von Hergé „Tim in Tibet“ auf dem Dach der Welt unterwegs. Ich liebe diesen Comic, er liegt noch immer in meiner Nachttischschublade. Der Himalaya als höchstes Gebirge der Welt übt auf mich eine unbeschreibliche Anziehungskraft aus. Einer von vielen Gründen, warum ich die Ausbildung zur Höhenmedizinerin absolvierte.

Wie haben Sie sich denn gemeinsam auf die Reise vorbereitet?

Am Anfang unterzogen wir uns gründlichen medizinischen Checks. Julia war als begeisterte Tennisspielerin ohnehin fit, ich verordnete mir eine gesunde Portion Askese, absolvierte ein Ausdauertraining mit unzähligen Trainingskilometern in den heimischen Weinbergen. Ich wälzte Reiseführer, befasste mich mit der Geschichte Tibets sowie den dos and don’ts im modernen Tibet. Zusammen mit einer Agentur für Individualreisen und Tipps von Tibetkennern.

Als Sie in Tibet ankamen, fiel der Empfang ja nicht so freundlich aus …

Das ist wohl wahr. Gelebte Willkommenskultur sieht anders aus. Bei der Einreise unterzog man uns unangenehmen Leibesvisitationen, die Reisepässe wurden uns abgenommen, „um sie zu überprüfen“, ich wurde angeschnauzt, weil ich es gewagt hatte, als Frau einem Uniformierten direkt ins Gesicht zu blicken. Die Situation war angespannt.

Wie ging es dann weiter?

Julia trug zur Entspannung bei – die Beamten der Einreisebehörde waren fasziniert von ihren blonden Haaren und wollten am Ende sogar Selfies mit Julia, dem Mädchen mit den goldenen Haaren. Da kann ich heute drüber lachen, damals fand ich das nicht so lustig – es gab immer wieder Hürden und Hindernisse: lange Wartezeiten an den Checkpoints, durchsuchtes Reisegepäck, nicht eingehaltene Absprachen und gebrochene Verträge sorgten für so manchen Frust. Wir konnten aber alles bewältigen und sind an den Herausforderungen gewachsen. Julia hatte tolle Ideen und verblüffte mich mit so manchem Lösungsvorschlag – ich bin mit einem Kind hingereist und mit einer Reisepartnerin zurückgekommen.

Was war Ihr eindrucksvollstes Erlebnis?

Da fällt mir die Antwort schwer, es waren einfach zu viele Eindrücke: Die Rettung des Yakkalbs aus dem Yamdrock-See, der Morgen im Nomadencamp, die Nacht  unterm Sternenzelt „irgendwo im Nirgendwo“ der tibetischen Hochebene oder der Moment, als Julia den Stein aus Omas Garten am Gedenkstein im Basislager am Mount Everest ablegte. Es gab viele schöne und vor allem unvergessliche Erlebnisse. Oft lag der Zauber des Moments in den kleinen Begegnungen, zum Beispiel als Julia einem kranken Mädchen im Krankenhaus von Lhasa einen Zopf flocht und ihren glitzernden Haargummi verschenkte. Wenn ich daran denke, bekomme ich heute noch Gänsehaut.

Wie lange waren Sie insgesamt unterwegs?

Etwa einen Monat.

Wie fühlt es sich jetzt an, wenn Sie unter Coronabedingungen an die Reise zurückdenken? Meinen Sie, es wird nochmals möglich sein, so zu reisen? Und falls ja, würden Sie wieder losziehen?

Ich zehre von der Schatzkiste an Erinnerungen und Erlebnissen. Julia geht es übrigens genauso. Vor kurzem sagte sie: „Mama, weißt du noch, wie wir auf der  Rückreise Hand in Hand auf dem Gebirgspass standen und auf die verschneiten Gipfel der Achttausender zurückgeschaut haben?“ Das  war ein Kraftmoment. Wenn ich die Augen schließe, spüre ich den eiskalten Wind, höre das Flattern der Gebetsfahnen und rieche die Duftspur von Kräutern, die als Rauchopfer verbrannt wurden. Das war ein schöner Moment – ich bin dankbar, dass wir diese Reise unternehmen konnten. Momentan erfreue ich mich auf meinen Spaziergängen und Wanderungen an vielen schönen Plätzen und Ausblicken, die uns die Bergstraße bietet. Burgenweg und Blütenweg sind zu allen Jahreszeiten reizvoll. Und – ja natürlich schmiede ich Reisepläne! Irgendwann wird es wieder möglich sein. Dann geht es vielleicht wieder aufs Dach der Welt – wer weiß?

Interview: bw // Fotos: privat // Mehr unter: katjalinke.de

Buchverlosung!

Jippie! Wir verlosen drei von der Autorin Katja Linke handsignierte Exemplare von „Let’s go Himalaya!: Wo bitte geht’s nach Shangri-La?“. Die Verlosung ist abgelaufen. Die Gewinner sind benachrichtigt. 

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